"Ein Erlöschen des spirituellen Feuers", "eine erschreckende Glaubenskrise monströsen Ausmaßes", ein "Abfall vom Evangelium. Eine Verhöhnung Gottes selbst unter Theologen": So erklärt Paul Badde in seinem Kommentar die Mißbrauchsfälle in der Kirche. Jedem muß einsichtig sein, daß "ein Priester, der sich an Kindern vergeht, die Worte Jesu schon lang nicht mehr ernst genommen hat, wo es etwa heißt: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworden würde“ (Markus 9,42).
Damit ist eigentlich alles gesagt. Nicht eine Abkehr von der katholischen Sexualmoral verhindert Mißbräuche, sondern eine Hinwendung zum Glauben. So einleuchtend das auch klingt, so wenig werden jene diese Logik begreifen wollen, die seit Wochen alte Fälle herauskramen und jede Ohrfeige, die ein Schüler 1950 in einer katholischen Schule bekommen hat, zum Mißbrauch umdeklarieren. Die lautesten Stimmen kommen dabei oft aus dem Kreise jener, die vor nicht allzu langer Zeit Roman Polanski, der ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt hatte, verteidigt haben und zur Odenwaldschule und ihren Vorzeigepädagogen betreten schweigen: Das waren ja welche von ihnen, linke Feuilleton-Schickeria, Künstler ... Und wenn die Vergangenheit aufgearbeitet werden soll, was ja durchaus ein gutes Anliegen ist, könnte man auch einmal selbstkritisch die eigene Geschichte betrachten, zu der die Forderungen nach einer Entkriminalisierung der Pädophilie gehören, die in den 80er-Jahren in der linken Presse so oft erhoben wurden. Aber darum geht es nicht, nicht um die Sache selbst und schon gar nicht um die Opfer. Es geht einzig darum, die katholische Kirche, die letzte konservative Bastion, zu schleifen.
Wenn es wirklich um die Opfer ginge, müßten auch andere Geschichten Platz auf den Titelseiten bekommen: Geschichten von der sexuellen Verwahrlosung in unserer Gesellschaft und ihren Opfern, den Kindern. Der Stern erzählt, immerhin, einige von ihnen: Die Geschichte des sechsjährigen Jungen, der mit seiner Mutter Vergewaltigungsszenen anschaut und das Gesehene auf dem Schulhof nachzuspielen versucht. Die Geschichte der 14-Jährigen, die damit prahlt, daß sie "Gang-Bang" macht: Eine Gruppe von Männern fällt gleichzeitig über sie her. Kleinkinder, die gemeinsam mit ihren Eltern Pornos gucken, Mütter, die vor den Augen ihrer Kinder mit wechselnden Liebhabern Sex haben, eine Elfjährige, die sich Sorgen macht, weil sie noch Jungfrau ist. In den unteren sozialen Milieus wächst eine Generation heran, die die Folgen der falsch verstandenen Liberalität in unserer Gesellschaft zu tragen hat, Zuwendung, Liebe und Zärtlichkeit nicht kennt, sondern nur Sex, deren Leitbilder Pornostars und Porno-Rapper sind, die sexuell verwahrlost und total enthemmt ist, von Scham und Ekel keinen Begriff hat. Bei sexuellem Mißbrauch wird oft von Mord an Kinderseelen gesprochen: Und das ist auch hier der Fall. Der Stern-Artikel ist hart und verdient Aufmerksamkeit. Aber wo bleibt der Aufschrei? Warum ist die Gesellschaft so blind gegenüber diesen Opfern? Warum wird nur so verhalten darüber berichtet, wie eine ganze Generation zugrunde gerichtet wird? Vielleicht, weil man das beim besten Willen nicht der katholischen Kirche anhängen kann?
Paul Badde schreibt: "Verstörend bleibt dennoch dies: Jetzt fallen die Sünden der 50er-, 60er- und 70er-Jahre auf uns zurück. Wie lange wird dieser Prozess wohl für jene neuen Sünden dauern, die wir heute unter uns verschweigen?" Die Sünden, die unsere Gesellschaft an diesen Kindern begeht, werden mit Sicherheit irgendwann mit voller Wucht auf sie zurückfallen.
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