Freitag, 30. Oktober 2009

Alte Messe in Rom

Noch ein Nachtrag zu meiner Romreise. Oder vielmehr eine wunderbare Erfahrung, mit  der die Erkenntnis verbunden war, daß ich die Wirkung der Alten Messe unterschätzt hatte. An unserem letzten Abend spazierten wir am Tiber entlang und machten uns auf den Weg zur Ss. Trinità dei Pellegrini . Nicht nur, um den berühmten Guido Reni zu sehen. Ich hatte meiner Freundin, mit der ich gereist war, so oft von der Alten Messe erzählt, daß sie neugierig geworden war. Dennoch hatte ich Bedenken. Sie hatte nie Latein gelernt, ist eher naturwissenschaftlich gebildet, beschäftigt sich nicht mit liturgischen Fragen. Würde sie mit einer stillen Messe überhaupt etwas anfangen können? Ohne die schönen Gregorianischen Gesänge, die fast jeden anrühren und bewegen. Nur der Priester und der Ministrant, mit dem Rücken zu den Gläubigen, leise sprechend. Wir knien, und ich schaue vorsichtig und ein bißchen ängstlich zur Seite, um das Gesicht meiner Freundin zu sehen. Sie sieht konzentriert aus. Als wir die Kirche verlassen, ist sie den Tränen nahe. Weil alles so feierlich war, so würdevoll, so bewegend. Die Gläubigen so still und andächtig waren und die lateinische Sprache, die sie nicht versteht, sie auf einer anderen, tieferen Ebene berührt hat. Nichts daran kam ihr fremd oder abweisend vor. Und ich hatte in diesem Moment etwas Wichtiges verstanden: Man muß keine Bücher lesen, um die Alte Messe zu besuchen, und erst recht muß man sich keiner bestimmten Fraktion in der Kirche zugehörig fühlen. Man muß weder Nostalgiker sein, noch braucht man Avantgarde-Bewußtsein. Die Alte Messe ist für alle da, nicht nur für die Gebildeten. Auch für sensible junge Frauen, für einfache Leute, für Kinder. Gott hat jedem ein Gespür für das Heilige geschenkt, auch wenn es oft verschüttet ist. Das Schöne kann man jedem zumuten, und das, was immer gültig ist, war und sein wird, muß niemandem erklärt werden. Das Einzige, was den Zugang versperrt, ist das leider weitverbreitete Ressentiment der überlieferten Form gegenüber. Wer die Alte Messe liebt, darf sich nicht abschotten, denn das wäre egoistisch.  Man muß diesen Schatz mit anderen teilen.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Blogschweigen, Rom, Frühromantik etc.

Es hat mit meinem Urlaub in Rom zu tun, daß ich in letzter Zeit hier so wenig schreibe. Ich war nur ein paar Tage dort, aber es war wunderbar. Ich bin durch die Stadt gelaufen, habe mir Kirchen angeschaut und Kunstwerke, gebetet, nachgedacht, draußen in der Sonne gesessen und Eis gegessen. Schön war es, daß alle so freundlich waren und so selbstverständlich katholisch, daß es noch warm war und daß an fast jeder Straßenecke eine Kirche ist und zum Stadtbild junge Priester aus aller Herren Länder gehören. Daß die Literflasche Mineralwasser im Restaurant nur 2 € kostet, im Hotel beim Frühstück ein junger Mann mit B16-T-Shirt am Nebentisch saß, ich bei der Generalaudienz einen Platz ganz vorne hatte, auf dem Petersplatz alle so fröhlich waren und alle Pilgergruppen so begeistert gerufen, geklatscht und anderen Krach gemacht haben, als ihr Name verlesen wurde. (Übrigens waren an jenem Mittwoch 10.000 Deutsche da. Die paar Hundert Polen waren allerdings lauter.)

Michelangelos Pietà ist so schön und erhebend, daß mir die Tränen kamen und ich mir gewünscht habe, auch Kunstwerke, solche zumindest, hätten einen Platz in der Ewigkeit.

Außerdem habe ich kiloweise fromme Gegenstände gekauft und auf dem Ramschmarkt vor dem Petersplatz ein Halstuch für 5 €, das aussieht, als hätte es 8 € gekostet. Ja, es war ein toller Urlaub, ich war glücklich und habe das weltweite Netz nicht eine Sekunde vermißt. Und als ich zuhause meinen Rechner eingeschaltet habe, kam mir die virtuelle Welt so fad und kalt vor. Deshalb die Pause, das Blogschweigen. Und gleichzeitig ein Nachdenken darüber, was das Netz für mich bedeutet und wie sehr es mich verändert. Natürlich habe ich dem Netz viel zu verdanken. Ohne die Möglichkeit, mir selbst auf eine so einfache und wenig zeitaufwendige Weise Informationen zusammenzusuchen, hätte mein Glaubensweg womöglich anders ausgesehen. Noch wichtiger aber: die Gleichgesinnten, die mir aus den unendlichen Weiten virtuell zuwinken. Die mich trösten und ermutigen, wenn ich mich mit meinem Glauben einsam fühle.

Doch das Netz und gerade das Bloggen verändert mich auch in anderer Hinsicht. Wenn ich nicht aufpasse, nötigt es mich, mein Leben zu verzwecken. Alles in Hinblick auf mögliche Blogbarkeit zu betrachten, aus dem eigenen Alltag eine Aneinanderreihung von Anekdoten zu machen, die sich gut erzählen lassen. Und es verführt dazu, Dinge öffentlich zu machen, über die man besser schweigt. Ich möchte mein Blog nicht als Ventil benutzen, wenn ich mich ärgere oder wütend bin. Denn im schlimmsten Fall steigere ich mich durch das Schreiben in meine Wut hinein, es treten Kommentatoren hinzu, die sich ebenfalls ärgern, und ich verbreite meine negativen Gefühle über das Netz. Nein, nein, manches gehört besser sub rosa verhandelt oder bekannt als in der öffentlichen Quasselbude...

Doch andererseits lebt das Bloggen vom Subjektiven und Gefühlten, vom nur kurz Angedachten, von Momentaufnahmen und von der Zuspitzung. Die Frühromantiker (Novalis, die Schlegels u.a.) hätten sicher ihre Freude daran gehabt. Denn Blogbeiträge können moderne Nachfolger des frühromantischen Fragments sein: das Unfertige, Unabgeschlossene, das bewußt als literarische Form gewählt wurde, Gedankensplitter und Geistesblitze, Erfahrungen und Ansichten - alles durfte zusammenfließen. Doch die frühen Romantiker trafen sich in ihrem Kreis in Jena und mußten nicht bei jeder Äußerung den anonymen Blogleser mitbedenken. Bleibt also die Frage: Wieviel gebe ich preis, wo ziehe ich Grenzen? Und ist nicht letztlich auch die Blogidentität eine Maskerade?

Wie dem auch sei: Im Moment heißt es für mich weniger surfen und mehr leben. Die wichtigste Frage aber zum Schluß: Wie sieht's denn eigentlich mit dem nächsten Bloggertreffen im Real Life aus, das doch dieses Jahr noch stattfinden sollte?