Samstag, 15. Mai 2010

Was im Mittelalter besser war: das Wetter

Seit einem Dreivierteljahr läuft die Heizung, die Winterjacke zeigt Abnutzungserscheinungen, der Körper schreit nach immer mehr Kohlehydraten: Es ist kalt in Deutschland. Wird es jemals wieder Sommer?

Dabei gab es mal schöne, glänzende Zeiten, wo Europa nicht nur ein christliches, sondern auch ein warmes Land war. Und zwar zwischen 1000 und 1300. In Island wurde Getreide angebaut, in Preußen Wein, bis in den Kölner Raum wuchsen Feigenbäume. Auf Grönland gab es grüne Wiesen. Die Landwirtschaft gedieh, genug Nahrung wurden erwirtschaftet, die Bevölkerungszahl stieg. Siedlungen und Städte wurden neu gegründet: eine Zeit des Wachstums und Fortschritts.

Die Sommer waren mitunter sogar sehr heiß, im Jahr 1022 sind  "…viel Leut umb Nürnberg auff den Strassen vor grosser Hitz verschmachtet und ersticket, deßgleichen sind auch alla Früchte auff den Feldern, Gärten und Wiesen auch Ackern verdorret und verbrenet, auch sein viel Brunen Flüsse Weyher und Bäche vertrocknet und versieget, wie dann umb Nürnberg alle Bäche und Weyher biß auff fünff vertrocknet und und zwey Brunen vor grosser Hiz versieget, dardurch grosser mangel am Wasser entstanden ist." (Aufzeichnung aus dem Staatsarchiv Nürnberg, zitiert nach: Rüdiger Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas, 2001; S. 61)

Doch von der mittelalterlichen Warmzeit wollen einige "Klimaforscher" und Umweltaktivisten heute nichts mehr wissen: Denn sie droht, die hochsubventionierte Theorie von menschengemachten Klimawandel in Frage zu stellen. Auch wenn man das Mittelalter in den schwärzesten Farben malt: einen hohen CO2-Ausstoß kann man dem mittelalterlichen Menschen beim besten Willen nicht anhängen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, verlegt man sich darauf, die mittelalterliche Wärmeperiode zu leugnen (vgl. Malcolm K. Hughes/Henry F. Diaz, Was there a "medieval warm period", and if so, where and when, in: Climatic Change, 26 (1994), S. 109 - 142)

Doch ab ca. 1350 wurde es nachweislich deutlich kälter. Die "kleine Eiszeit" begann, eine krisengeplagte Zeit mit sehr kalten Wintern. Hungersnöte ließen die europäische Bevölkerung schrumpfen, Gletscher drangen in den Alpen auf Ackerland vor, Seuchen traten auf, soziale Spannungen, die frühneuzeitliche Hexenverfolgung und zuletzt der große Zivilisationsbruch der französischen revolution.

Seit etwa 1850 wird es wieder wärmer, und das läßt hoffen. Denn es gibt die Annahme, daß überdurchschnittliche Temperaturen auch zu kulturellem Fortschritt führen. Einiges spricht dafür: Die mittelalterliche Warmzeit war die Blütezeit der höfischen Epik. Wolfram von Eschenbach schrieb seinen "Parzival", Gottfried von Straßburg "Tristan". Das Nibelungenlied entstand. In diese Epoche fallen die Lebensdaten einiger der größten Gelehrten und Dichter: Thomas von Aquin, Dante Alighieri, Albertus Magnus, Meister Eckhart, Bernhard von Clairvaux, Anselm von Canterbury. Die Baukunst entwickelte den Stil der Gotik, die ersten Universitäten wurden gegründet.

Lag's am Wetter? Kausalität oder Koinzidenz? Schwer zu sagen. Und wie sieht es heute aus? Ein Mann, der als einer der größten Gelehrten unserer Zeit in die Geschichte eingehen wird, kommt ausgerechnet aus dem kalten Deutschland. Allerdings lebt er schon lange in wärmeren Gefilden: nämlich in Rom.

Dienstag, 11. Mai 2010

Bloggertreffen

Nun hätte ich beinahe vergessen, etwas über das Bloggertreffen am vergangenen Samstag zu schreiben. Das liegt daran, daß ich ebendort von den Bloggerkollegen überzeugt wurde, endlich Mitglied bei Facebook zu werden. Seit gestern treibe ich mich also dort herum, habe schon Freunde gefunden, bin einer Gruppe beigetreten, suche Leute, die ich von früher kenne, stelle fest, daß ich aus meiner Grundschulklasse mal wieder die Einzige bin, die bei sowas mitmacht, und daß 185 Leute so heißen wie meine Kindergartenfreundin früher. Da ich mich irgendwie verklickt habe, steht in meinem Profil unter Interessen nun: "Kalorien sind kleine Tiere, die nachts die Kleidung enger nähen". Wozu Facebook eigentlich gut ist: Wird sich mir wohl noch erschließen.

Jedenfalls: Das Bloggertreffen war sehr motivierend, wir sprachen über katholische Medienarbeit und überlegten, wie Katholiken ihre Präsenz im Netz verstärken können. Walter Ramm hat uns über die Arbeit der "Aktion Leben" informiert. Sehr herzlich möchte ich dem Gastgeber Pater Recktenwald danken. Und Johannes, mit dem ich gefahren bin. Das nächste Bloggertreffen ist auch schon geplant: Ende August in Fulda.

Montag, 10. Mai 2010

Was im Mittelalter besser war: Wahlen

Die Wahl in NRW bestätigt wieder einmal die Krise der Demokratie. Ihr Symptom: die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Ihre Ursache: Man traut den Politikern die Lösung der Probleme nicht mehr zu. Aktuelles Beispiel ist die Rettung des Euro. Jeder vernünftige Mensch weiß, daß die Ursache seiner Schwäche der gigantische Schuldenberg ist, den die westlichen Länder zur Finanzierung ihrer Wohlfahrtsstaaten aufgetürmt haben. Doch das ist tabu. Lieber bläst man zur „Generalmobilmachung“ gegen „angelsächsische Spekulanten“, den bösen Feind, der Europa, diese Insel der Gerechtigkeit, mit finsteren Machenschaften bedroht (früher übernahm diesen Part das internationale Finanzjudentum). Unterdessen fließen weiter Millionen und Milliarden in den Ausbau von Kita-Plätzen, in die zigste Reform des Bildungswesens und andere Projekte, die den Zerfall der europäischen Gesellschaften nicht aufhalten, sondern fördern – ein politisches System demontiert sich selbst. Da mag ein Blick auf frühere Zeiten hilfreich sein. 
Womit wir endlich beim Thema wären: Denn das Mittelalter war eine wahlfreudige Epoche. Die wichtigsten Repräsentanten der Christenheit, Kaiser und Papst, verdankten ihre Ämter einer Wahl. Klöster wählten ihren Abt, Domkapitel ihren Bischof. Und auf bestimmten Ebenen, etwa den freien Reichsstädten, Zünften, Universitäten oder ähnlichen Zusammenschlüssen, gab es schon ein allgemeines Wahlrecht. Der wichtigste Unterschied zwischen mittelalterlichen und modernen Wahlen liegt wohl darin, dass die moderne Wahl ganz vom Gedanken der Mehrheitsentscheidung beherrscht wird. Das wirkt auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber nicht. Bei mittelalterlichen Wahlen konnte unter Umständen auch die Minderheit Recht haben: Nicht die Mehrheit, sondern der klügere Teil, die „sanior pars“, wie man damals sagte, sollte den Ausschlag geben. Denn es ging darum, den würdigsten Kandidaten für ein Amt herauszufinden: denjenigen, den Gott dazu bestimmt hatte. Das Mittelalter qualifizierte also die Stimmen, oder anders gesagt: Es gab nicht der Quantität den Vorrang, sondern der Qualität. Das provoziert natürlich den modernen Massenmenschen, der am liebsten Seinesgleichen an der Spitze sehen will. André Lichtschlag hat den Zustand, der dadurch entsteht, als Ochlokratie, als Pöbelherrschaft, bezeichnet. Und genau da sind wir mittlerweile angekommen. Narürlich kann man dem Mittelalter keine Patenrezepte entnehmen. Aber zweierlei könnten wir doch lernen: Erstens daß eine Demokratie ohne Aristokratie nicht funktioniert. Und zweitens, daß es auch beim Wählen eine Verantwortung vor Gott gibt.