Freitag, 6. Mai 2011

Frisch Bekehrte, heilige Spießer und Gescheiterte

Manche Bekehrungsgeschichten, die man hört, variieren folgendes Erzählmuster: „schlechtes Leben – Absturz – Bekehrung – gutes Leben“. Darauf lassen sich viele Geschichten aufbauen, etwa solche: XY hatte eine wilde, rebellische Jugend. Er geriet an die falschen Freunde, nahm Drogen und war irgendwann ganz unten. Oder, eine Nummer kleiner: Schulschwänzer, Sex vor der Ehe, ab und zu einen Joint. Tattoos, Piercings. Partyleben, nur Frauen im Kopf. Oder, die politische Variante: Er wollte die Welt verändern und machte bei irgendwelchen linken Gruppen mit. Wie auch immer: Irgendwann ging es XY schlecht damit. Oder er wurde einfach älter, sein Wunsch nach Rebellion schliff sich ab, er gewann an Lebenserfahrung und durchschaute, wie haltlos seine früheren Ziele und Ideale waren.

Da erinnerte er sich an Gott. Gott verzeiht ihm alles.  XY „prüft seine Berufung“ und entdeckt in den meisten Fällen „seine Berufung zur Ehe“. Er bittet Gott um einen passenden Ehepartner und lernt durch einen Zufall, der natürlich Fügung ist, eine hübsche Frau kennen. Die beiden heiraten, bekommen Kinder, bauen ein Häuschen, engagieren sich für die Kirche und führen ein anständiges Leben.

Solche Geschichten, die ich wirklich schon oft gehört habe, mögen wahr sein. Doch auf mich wirken sie geschönt, glattgebügelt und simplifizierend. Und manchmal hört man sogar einen beinahe schon calvinisitischen Unterton aus ihnen heraus: Wirtschaftlicher Erfolg und privates Glück scheinen sich als Zeichen für den Gnadenstand darzustellen.

Bei mir war das alles nicht so eindeutig. Ich war auch in meiner atheistischen Zeit ehrgeizig, hatte nur abwaschbare Tattoos und habe in meinem Leben nicht viele Joints geraucht. Ich fand zum Glauben zurück, weil ich viel darüber gelesen hatte und irgendwann merkte, daß ich mich wohlfühle, wenn ich in einer Kirche bin. Lebenskrisen und so weiter: Das alles erlebte ich auch danach. Es ist nicht alles gut geworden, ich kenne Langeweile, Zweifel, innere Leere, Ambivalenzen, die ich aushalten muß, Wege, die verschlossen sind und Kontingenzerfahrungen. Deshalb höre ich lieber andere Bekehrungsgeschichten. Etwa von Leuten, die ohne Lebenskrise zu Gott gefunden haben. Sondern weil sie von Bachs Musik angerührt waren, von der Schönheit eines Vogels oder eines Wasserfalls. Oder weil sie viel Glück hatten und jemandem dafür danken wollten. Oder Geschichten von Bekehrungen, die nicht zu spektakulären Änderungen führten. Wenn jemand einfach sein Leben weiterführt, seine Pflicht tut, das alles aber in Gott aufgehoben weiß.

Oder auch: Jemand entdeckt nach der Bekehrung nicht seine Berufung zur Ehe oder etwas Höherem, sondern lernt, sich anzunehmen, weil Gott ihn annimmt. Auch mit einer peinlichen Tätowierung am Fußknöchel, einer Neigung zu Depressionen, der Unfähigkeit, das eigene Leben in geordnete Bahnen zu lenken und dem Wunsch, ganz allein durch die Welt zu reisen. Schließlich hat Jesus nicht gesagt: Kommt zu mir, die ihr Spießer werden wollt, ich werde euch dabei helfen. Was er dagegen sagte, war: Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach.

Bei uns in der Kirche sitzt eine Frau, die ihre Bekehrungsgeschichte nie vor einem Publikum wird erzählen können. Denn sie ist schwer alkoholkrank, redet unzusammenhängend und wird schnell aggressiv. Ich weiß nicht, worum sie Gott bittet. Von ihrer Krankheit hat er sie jedenfalls nicht befreit. Sie ist ganz unten, kann schon lange nicht mehr arbeiten, und der Alkohol hat ihr Gesicht zerstört. Einmal fragte sie jemand, warum sie jeden Tag in die Kirche ginge. Sie antwortete: „Das ist das Einzige, was mir guttut.“

Ich glaube, daß sie noch hofft, und ihr Beispiel gibt mir mehr Kraft als der Überschwang mancher frisch Bekehrter. Denn wenn Christus in ein Leben hineinleuchtet, das jeder Außenstehende als gescheitert betrachtet, darf ich auch hoffen, daß er für meine Mittelmäßigkeit, Zweifel und Schwächen einen Weg finden wird.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Plastikschrott

Ich liebe mein kleines weißes MacBook. Es ist erst ein halbes Jahr alt und ich gehe mit ihm um wie mit einem rohen Ei. Es thront auf meinem Schreibtisch, wird liebevoll behandelt und muß auch nie im Rucksack verreisen wie mein Dell-Netbook. Als ich zum ersten Mal mit ihm gearbeitet habe, war es eine Offenbarung: endlich Schluß mit diesem ständig abstürzenden, langsamen, von Version zu Version immer schlechter werdenden Windows. (Manchmal denke ich wehmütig an Windows 98 zurück. Damit konnte man noch arbeiten. Windows 7 auf dem Netbook ist eine Katastrophe.) Endlich habe ich ein schnelles, intuitives, sympathisches System ...

Doch leider gönnt Apple meinem MacBook kein vernünftiges Kleidchen. Sein Hochglanz-Weiß in Plastik ist zwar hübsch, aber erinnert von der Qualität her weniger an ein Designerkleid als an ein H&M-T-Shirt, das ich mal hatte: einmal gewaschen, und es war drei Nummern kleiner, hatte eine andere Farbe und ein anderes Muster.

Natürlich kam mein MacBook nie in die Waschmaschine, sondern wurde nur vorsichtig abgestaubt. Und dennoch: Gestern entdeckte ich Risse an den Scharnieren. Sie kamen über Nacht. Für mich war schon fast eine Welt zusammengebrochen, als mein Mac zum ersten Mal abgestürzt war, denn ich dachte, denen passiert das nicht. Und nun das. Ich googelte eine Weile und fand heraus, daß das wohl ein Serienfehler ist, der schon seit einigen Jahren bekannt ist. Sehr aufschlußreich die flickr-Gruppe "My MacBook was cracked by itself".

Apple soll bei solchen Fällen mittlerweile kulant sein. Trotzdem: Apple steht für Qualität, und ich verstehe nicht, wieso für dieses bekannte Problem nicht endlich eine Lösung gesucht wird. So kann man sich halt auch das Image kaputt machen.