Dienstag, 24. August 2010

Tempelritter, Dandys und Gelehrte: G. A. Oblinger über Konvertiten

Benita hat ja angekündigt, mit dem Bloggen eine Pause zu machen. Obwohl ich ihre Beiträge sicher nicht ersetzen kann, werde ich hier in Zukunft hin und wieder doch etwas veröffentlichen: Buchbesprechungen, Leseeindrücke oder was mir sonst so durch den Kopf geht. Heute also eine Buchvorstellung. Sie beginnt mit einem Zitat. Der französische Autor André Frossard schreibt in seiner Autobiographie „Gott existiert. Ich bin ihm begegnet“: „Dieses Buch erzählt nicht, wie ich zum katholischen Glauben kam, sondern wie ich nicht dorthin ging und mich plötzlich dort befand. Es ist nicht die Darstellung einer geistigen Evolution, sondern ... so etwas wie die Zeugenaussage über einen Unfall.“ Gelesen habe ich das in dem Buch „Gesucht – gefunden. Bedeutende Konversionen“ von Georg Alois Oblinger, seines Zeichens Pfarrer und nebenher Autor für verschiedene Zeitungen, darunter die Junge Freiheit. Frossard beschreibt damit das völlig Unterwartete seiner Konversion, und für Oblinger illustriert das Zitat eine seiner Leitthesen: Daß Konversionen, Bekehrungen, geistige Lebenswenden nicht nur das Ergebnis einer religiösen Suche sind, sondern oft auch des unvermuteten, pötzlichen Einbruchs der göttlichen Gnade.

Theologische Reflexionen stehen aber nicht im Mittelpunkt dieses Buchs, sondern flott geschriebene Porträts, Lebensskizzen, angefangen von der biblischen Sünderin Maria Magdalena und endend bei Ernst Jünger. Und Oblinger versteht unter Konversion nicht nur formelle Konfessionswechsel, sondern auch Bekehrungen, die zu einem vertieften Verhältnis zum „ererbten“ Glaubens führten wie etwa bei Blaise Pascal. Eine wahrlich bunte Schar zieht da am Leser vorüber; große Kirchenmänner wie Augustinus oder Kardinal Newman, Gelehrte wie Jacques Maritain oder C. S. Lewis, Dandys wie Jules Barbey d'Aurevilly. Oblingers besondere Liebe gehört dabei den Intellektuellen und Schriftstellern, den Querköpfen und Unruhestiftern.

Drei Porträts, die ich besonders interessant fand, möchte ich hervorheben. Da ist zunächst der französische Schriftsteller Joris-Karl Huysmans, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in seinen Skandalromanen „A rebours“ und „La-bas“ Ästhetizimus wie Okkultimus literarisch durchspielte. 1892 trat er in ein Trappistenkloster ein, später lebte er in einem Benediktinerkloster und schrieb weitere Romane wie „En route“ und „La Cathédrale“, in denen er über die Beschäftigung mit Mystik und monastischer Liturgie zum Wesen des Glaubens vordringt. Der deutsche Schriftsteller Hugo Ball, Gründungsvater des Dadaismus, konvertierte 1920 zum Katholizismus. Danach schrieb er unter anderem über die griechischen Kirchenväter das Buch „Byzantinisches Christentum“, das Hermann Hesse als „das schönste mir bekannte religiöse Buch“ bezeichnet hat. Die expressionistische Lyrikerin Claire Goll schrieb über Ball: „Hugo Ball hatte etwas von einem Mönch, einem Tempelritter, der sich auf einen Kreuzzug begab, um die Menschheit zu retten.“ Und schließlich als Kontrast der englische Satiriker Evelyn Waugh, der auch nach der Konversion sein Partyleben fortsetzte, freilich mit dem Unterschied, daß er jetzt regelmäßig zur Beichte ging. Seine Romane wie „Wiedersehen in Brideshead“ oder „Scoop“ (eine Abrechnung mit dem Sensationsjournlismus) sind ganz der Gegenwart verhaftet, deren Hedonismus Waugh attackiert, und gegen deren Orientierungslosigkeit er Halt in der katholischen Kirche suchte. So kritisierte Waugh auch die Liturgiereform nach dem Konzil: „Ich habe mich getäuscht und habe dort, wo ich Unwandelbares vermutete, Spuren einer Revolution wahrgenommen.“

Oblinger beherrscht die Kunst, sein Thema leicht und eingängig zu servieren. Das geht zwar manchmal auf Kosten des Tiefgangs, aber das macht nichts, interessant ist es allemal. Dafür sorgen auch die Zitate, die meist relativ unverbunden, aber gut ausgewählt am Ende der Porträts stehen. Deshab noch eine kleine Kostprobe:

„Die einzige Frage, die wirklich zählt – ob die Kirche tatsächlich verrückter ist als die Welt.“ (Gilbert Keith Chesterton)

„Um nicht in den Verdacht des Fanatismus zu geraten, haben sich die modernen Prediger etwas ausgedacht, was sie mit Bescheidenheit das Wort Gottes nennen. Es besteht darin, stundenlang zu salbadern und sich mit vollendeter Geschicklichkeit um das Ja und Nein herumzudrücken.“ (Léon Bloy)

„Wäre ich nicht Katholik, dann wäre ich noch viel unaustehlicher.“ (Evelyn Waugh)

Georg Alois Oblinger: Gesucht – gefunden. Bedeutende Konversionen. Kissleg: Fe-medien 2009.