Sonntag, 26. Juni 2011

Deutschlektion: der, die oder das Kirche? Gar kein Artikel!

Es gibt im Deutschen Nomen, die auch im Singular ohne Artikel stehen. Dabei kann es sich erstens um Stoffbezeichnungen handeln, die eine unbestimmte Menge bezeichnen:

"Pudding macht dick."
"Babys mögen Brei."
"Auf der Straße ist Matsch."
"Das Kind wünscht sich Knete."

Oder zweitens um Sammelbezeichnungen, die ebenfalls eine unbestimmte Menge bezeichnen:

"Obst ist gesund."
"Im Stall steht Vieh."

Oder drittens um Abstrakta:

"Jetzt ist hier endlich Ruhe!"
"Dummheit ist keine Tugend."

Und dann gibt es noch "Kirche", jene Institution, die im Sprachgebrauch der sogenannten Liberalen und Reformorientierten ihren Artikel verloren hat:

"Kirche muss offener, demokratischer, frauenfreundlicher werden, Reformen wagen, zeigen, daß sie nützlich ist ..."

Was hat das zu bedeuten? Aus der klar definierten, konkreten, existierenden Kirche wird also eine unbestimmte Menge gemacht, eine breiartige Masse, die so wenig greifbar ist wie Pudding, keine klaren Grenzen hat, keinen Gesetzen folgt und so formbar ist wie Knete. Etwas, was man selbst gestalten kann. Oder gar ein Abstraktum, das weit entfernt ist, nicht mehr als eine Idee.

Immer geht es bei diesem Sprachgebrauch also darum, der Kirche ihre konkrete Form, jetzt und hier in dieser Zeit, abzusprechen. Sie wird zur willenlosen Masse oder zur Idee und verliert dadurch an Wirklichkeit. Die Kirche: An ihr orientiert man sich, ihre Gesetze gelten, sie ist Heimat. Kirche: etwas, was man nach den eigenen Bedürfnissen gestalten kann.

Sprache ist eben verräterisch.

1 Kommentar:

  1. Ich habe das Gefühl, daß dieser Sprachgebrauch aus der Politik eingewandert ist. Dort ist die Artikellosigkeit weit verbreitet: "Politik muss die Menschen ernst nehmen", nicht "die" oder "unsere" Politik.

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