Feuilletonisten halten meist nicht viel von ihr. Doch die Leserinnen lieben sie: Stephenie Meyer. Über ihren Erfolg braucht man sich nicht zu wundern. Ihre Zielgruppe sind Mädchen, die etwas jünger sind als ihre 17jährige Heldin Bella, und Stephenie Meyer weiß, was sie lesen wollen: die Geschichte von der Prinzessin, die erweckt wird, von der normalen 17Jährigen, die von einem Mann geliebt wird, mit dem sich der pubertierende Banknachbar in der Schule nicht messen kann.
Meyers altruistischer Vampir mit dem schönem, blassen Gesicht und dem Jane-Austen-Namen Edward ist ein ritterlicher Held, wie er in Liebesgeschichten auftaucht, seit es dieses Genre gibt. Mehr noch: In ihm wird diese Figur auf die Spitze getrieben, denn da er als Vampir unsterblich ist, währt seine Liebe ewig. Sind Meyers Romane, in denen sich alle Topoi der Mädchenliteratur, finden Kitsch? Vielleicht. Doch die meisten Mädchen mögen solche Erzählungen nun einmal.
Stephenie Meyers Geschichten sind also nichts Außergewöhnliches, sie wurden zu allen Zeiten erzählt, und beinahe wirken sie banal. Doch vorgeworfen wird ihnen meist etwas ganz Anderes. So hält die "Welt" Stephenie Meyers Romane für "reaktionär", stört sich an ihrem Mangel an political correctness und wirft ihren Vampiren allzu viel Bürgerlichkeit und Traditionsbewußtsein vor, "da und dort schreiten sie mittlerweile sogar zum Kirchgang":
"Wer die Zeichen in den Romanen richtig liest, erkennt sie als religiöse Unterweisung. Über Homosexuelle etwa mag Stephenie Meyer nicht mal reden, und mit ein bisschen Deutungskraft wird "Twilight" schnell zur Bekehrungsgeschichte. Das moderne Mädchen Bella Swan gibt ihre Karrierepläne auf, nimmt den Glauben patriarchalischer Mormonen an, die hier in Vampirkostümen stecken und gegen Sünden streiten, die der Mehrheit unbekümmerter Leser gar nicht mehr als Sünde gelten: Sex vor der Ehe etwa.
Den Mythos vom Vampir als Antichrist hat Meyer auf den Kopf gestellt, in den Wohnzimmern ihrer Untoten hängen sogar Kreuze. Dafür kehrt "Twilight" zur sexuellen Schwüle des 19. Jahrhunderts zurück. Das Pulsieren des Bluts rührt von der Unterdrückung sündiger Triebe. Kein Wunder, dass Sex mit dem Monster bei Meyer der Fortpflanzung dient. Und niemand stülpt über den Vampirzahn ein Kondom."
Stephenie Meyers Fehler also: Sie unterwirft sich nicht der herrschenden Ideologie.
Ohnehin muß diese Autorin den Feuilletonisten ein Dorn im Auge sein. Junge Schriftstellerinnen sind zwar gefragt, aber sie sollten kaputt aussehen, aus ihrem Sexleben erzählen und den Götzen des Feminismus opfern. Doch Stephenie Meyer ist nicht Charlotte Roche und sieht nicht so aus. Sie schreibt nicht über Körperflüssigkeiten, sondern klassische Jugendbücher. Sie trägt mit Mitte 30 keine Hello Kitty-Taschen mehr spazieren, sondern ist Hausfrau und dreifache Mutter. Noch dazu ist sie religiös. Das Anathema war quasi unvermeidbar.
Doch der Markt gibt den Ideologen wie so oft unrecht, was Stephenie Meyers beinahe märchenhafter Erfolg beweist. Mädchen träumen eben auch heute noch vom Prinzen, und jene Elemente der Mädchenliteratur, die sie dem Feuilleton so verhaßt machen, dürften die Autorin reich gemacht haben: der Traum von der einen großen Liebe und der Wunsch, auf den Richtigen zu warten, gehören dazu.
Doch heute gilt als bedrohlich, was in allen Zeiten selbstverständlich war. Wer träumt und wartet, wird unabhängig von seinen Bedürfnissen. Er läßt sich nicht so leicht zu einem konsumfixierten, von schneller Wunscherfüllung abhängigen Untertanen abrichten. Und wer nicht mehr Sklave seiner Bedürfnisse ist, könnte sich hervorwagen zu Geist und Ideen. Schlimmer noch: Einem Mädchen, das wie Bella über jeden Blick, jede Geste und jedes Wort des Geliebten nachdenkt, könnten die Glücksversprechen einer übersexualisierten Gesellschaft, schnelle Triebbefriedigung also, reizlos erscheinen. Es besteht das Risiko, daß sie die kulturelle Leistung des Wartens zu schätzen lernt, daß sich ihre Gefühlswelt verfeinert und sie die Kunst der Sublimierung lernt. Auch deshalb gehört "Twilight" in den Giftschrank - wenn es nach den linken Ideologen und Sozialingenieuren geht, die Gefühle, Bindungen und Familien zerstören wollen, damit das Individuum allein dem Staat gegenübersteht und ihm ausgeliefert ist. Der Gedanke an dauerhafte Liebe ist für sie so gefährlich wie der Glaube an das objektiv Schöne. Denn auch solche Ideen machen frei, und so ist selbst die Ernüchterung nach einem Traum gefährlich, denn sie setzt das Hohe voraus.
Unsere Zeit bringt nicht viele große Liebesromane hervor, weil die Liebe banalisiert
wurde. Die Unmittelbarkeit der Bedürfnisbefriedigung läßt keine Zeit mehr für Träume, Ideen und Projektionen. Doch wer schon vor Stephenie Meyer warnt, muß Flaubert und Stendhal für Sprengstoff halten.
Öh, pardon... "Sie ist Hausfrau"? Ich dachte, sie ist Schriftstellerin. Daß sie außerdem vermutlich weiß, wie man Betten macht, kocht, Kinder tröstet und ermutigt, mit Geld auskommt, Terminkalender einer Familie verwaltet usw., kommt hinzu - oder?
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