Sonntag, 8. August 2010

Was uns die Bienen sagen

Neben dem Faulenzen gehört es zu meinen liebsten Urlaubsbeschäftigungen, Wissen zu erwerben, das ich nicht brauche. Deshalb habe ich mir einen Vortrag über Bienen angehört. Bienen sind so, wie die Deutschen mal waren: arbeitsam, durchorganisiert und undemokratisch. Aber sie sind auch poetisch: Blumenfreunde und Honigliebhaber wissen sie zu schätzen. Romatischerweise haben sie eine Königin. Und die Kunstfertigkeit, mit der sie ihre Waben errichten - jede einzelne exakt gleich groß - finde ich faszinierend. Irgendwie sind sie mir sympathisch, die Bienen. Jetzt sind sie vom Aussterben bedroht. Die Varroa-Milbe, ein Schädling, setzt ihnen zu.

Übrigens bin ich in guter Gesellschaft, denn auch Friedrich Spee hat sich schon für die Baukunst der Bienen begeistert: „Und wer nun mags ersinnen,/ Wie dan mitt schöner Kunst/ Das Werck sie da beginnen/ In lauter schwartzem Dunst?“, dichtete er, fasziniert von den „vöglein wunder fein“ und ihrer verborgenen Kunst. „Vil wunder von Gebeuen,/ Vil Heußlein auff das best,/ Im duncklen gar ohn scheuen/ Sie da dann gründen fest“. Das ganze Gedicht hat übrigens 44 Strophen und heißt: „Lob des Schöpffers darinn ein kleines wercklein seiner Weißheit, nemblich die wunder liebliche Handthirung der Immen oder Bienen Poetisch beschrieben wird“ - einen solchen Titel muß man einfach vollständig zitieren. Spees evangelischer Kollege und Zeitgenosse, Georg Philipp Harsdörffer, brauchte für das gleiche Thema. protestantisch sparsam, nur sieben Strophen. Seine „Immen“ sind ein Bildnis christlicher Liebe: Wie sie sollen „alle Christen/ nach Hönig wahrer Lieb/ ohn Haß und Neid gelüsten/ aus freiem Herzenstrieb.“

Die poetische Bienentheologie ist also interkonfessionell, ein ökumenisches Erbe. Sie hat zwei Väter: Vergil und den heiligen Hieronymus: Vergil, weil er die Bienenzucht im vierten Kapitel seiner Georgica beschrieben und dadurch literarisch geadelt hat. Und Hieronymus, weil er die Bienen als Vorbilder für die Menschen hingestellt hat: „Richte Bienenstöcke ein ... und lerne von den kleinen Wesen, wie Ordnung und Zucht im Kloster zu wahren sind“, empfahl er. Die Klöster haben sich daran gehalten, und die Bienenzucht gerne betrieben – nicht zuletzt, weil sie Wachs für die Kerzenherstellung brauchten. Aus dieser Beschäftigung ist einer der ältesten deutschen Texte überhaupt hervorgegangen: der Lorscher Bienensegen aus dem 10. Jahrhundert. Er hat den profanen Zweck, den Bienenschwarm davon abzuhalten, sich auf Nimmerwiedersehn in den nächsten Wald zu verabschieden: „Sitze, sitze, Biene, dir gebot es Sancta Maria/ Urlaub habe nicht, zum Walde fliehe nicht!“ Die Bienen sollten arbeiten: „Sitz ganz stille, wirk Gottes Willen.“

Die bekannteste Biene stammt aus dem 20. Jahrhundert. Allerdings ist Maja nicht so sehr durch die Kinderbücher von Waldemar Bonsels, sondern durch die Zeichentrickserie der 70er Jahre berühmt geworden. Als Geschöpf der Moderne hat sie sich von der lästigen Hausarbeit emanzipiert: Sie flattert mit Freund Willi umher und bringt uns die Wunder der Natur nahe. So hat sie schon vor dreißig Jahren das Berufsbild der Umwelt- und Erlebnispädagogin kreiert.

Doch auch die höhere Literatur hat sich weiter mit den Bienen befaßt: Ernst Jünger zum Beispiel, der sich auch sonst für allerlei Krabbelgetier interessiert hat. Er veröffentlichte 1957 den Zukunftsroman „Gläserne Bienen“. Das sind allerdings vollautomatisierte Miniroboter, deren Arbeitsleistung technologisch optimiert wurde: Sie saugen den Blumen sämtliche Nährstoffe aus, worauf diese absterben. Mit einer so traurigen Betrachtung soll dieser Beitrag nicht enden. Da ist mir die Biene lieber, die Carmen Bernos de Gasztold in ihren „Gebeten aus der Arche“ zu Wort kommen läßt: „Laß mein kleines Teilchen heißen Lebens/ einschmelzen in das große gemeinsame Schaffen,/ daß sich erhebe, zu Deinen Ruhme,/ dieser Tempel von Süße,/ diese Burg von Wohlgeruch,/ diese große Kerze, aus Kammern gebaut,/ geformt von Deinen Gnaden/ und meiner verborgenen Mühe.“

1 Kommentar:

  1. Schöner Artikel!
    Die Zeichentrick-Biene Maja ist übrigens ein echtes Verbrechen. Bonsels hat Bienen und ihr Leben in seinem reizenden Buch wunderbar genau beschrieben, woran die Vermenschlichung nichts ändert - sie haben bestimmte Arbeiten zu tun, sehen aus wie Bienen, und Drohnen sind nicht niedliche kleine Freunde. Im Trickfilm fängt der Graus schon damit an, daß Bienen vier Beine haben.

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