Gerade habe ich über sinkende Zeitungshonorare gegoogelt und dabei einen schon älteren Artikel von Gabriele Bärtels gefunden, mit dem Titel: "Schreiben macht arm." Er hat in mir zwiespältige Gefühle geweckt, trotzdem finde ich ihn insgesamt lesenswert. Der Tonfall störte mich, zu wehleidig, zuviel Jammern und Selbstmitleid. Vom Schreiben für Tageszeitungen kann man heute nicht mehr leben, das weiß man, und darauf stellt man sich ein. Selbst bei den großen Zeitungen sind die Honorare oft lausig, denn die Redaktionen können darauf setzen, daß die Autoren die Referenz zu schätzen wissen: Anspruch und Bezahlung klaffen da besonders weit auseinander. Als freier Autor sollte man also besser eine Mischkalkulation versuchen und sich einen Kundenstamm aufbauen, der vernünftig zahlt.*
Andererseits: schade, daß es so ist. Denn ich wünsche mir Journalisten, die mit Herzblut an ihren Texten schreiben. Die ihren Beruf lieben, investigativ arbeiten, jedem noch so kleinen Hinweis hinterherjagen, jede Information überprüfen, sich an ihren Geschichten festbeißen, idealistisch, manisch, begeistert, störrisch. Deren Geschichten würde ich gerne lesen. Soviel zum Ideal, das von der Realität gründlich zurechtgeschliffen wird. Denn der erfolgreiche Zeitungsjournalist ist heute vor allem ein Profi in Selbstvermarktung, Zeitmanagement, Acquise, Mehrfachverwertung und Verhandlungskunst. Er muß marktwirtschaftlich denken. Dagegen ist nichts zu sagen, es muß so sein, wenn man nicht arm werden will. Doch mit der Zeit bleibt manches auf der Strecke: bei vielen auch das Herzblut. Weil sie sich zerreiben zwischen Selbstmarketing und journalistischem Anspruch.
Denn nicht das Schreiben macht arm. Die Seiten werden immer gefüllt. Aber das saubere Recherchieren macht arm. Das Nachdenken. Das sorgfältige Formulieren. Kreativität, die nicht auf Knopfdruck da ist. Der Wunsch, wirklich zu informieren. Die Zeit, die man für einen guten Artikel braucht. Bei allen Einwänden, die man gegen Gebriele Bärtels Text haben kann: Für gute Recherche wollen viele Redaktionen tatsächlich nicht mehr adäquat zahlen, und wer das leisten will, muß sich überlegen, ob er sich das leisten kann.
Ich habe meine Tageszeitungsabos schon längst abbestellt. Und mein Herz hängt nicht mehr so sehr am Journalismus wie früher. Während ich noch vor zwei Jahren auschließlich davon leben wollte, geht es auch bei mir heute immer mehr in Richtung Mischkalkulation. Genaugenommen: Seit ich erfahren habe, welche Stundenlöhne Texter fordern können. Da hat mich wohl die Wirklichkeit eingeholt.
Und hier noch ein Link, ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch: Die Zukunft der Zeitungen - Sparen, bis die Leser gehen
*Es muß übrigens mal anders gewesen sein mit den Honoraren. Ein älterer Freund erzählte mir mal von den Honoraren, die er in den 80ern bekam. Paradiesisch! Heute schreibt er nicht mehr für Zeitungen, wegen der lächerlichen Bezahlung.
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