Sonntag, 26. Dezember 2010

Aurelius Prudentius: Corde natus ex parentis (Weihnachtshymnus)

Corde natus ex parentis / Ante mundi exordium / A et O cognominatus, / ipse fons et clausula / Omnium quae sunt, fuerunt, / quaeque post futura sunt.

Im Herzen des Vaters geboren, / Noch ehe die Welt entstand, / Wird A und O der genannt, / Der selber Ursprung und Ziel ist / All dessen, was ist und was war, / was nach uns noch kommt.

O beatus ortus ille, / virgo cum puerpera / Edidit nostram salutem, / feta Sancto Spiritu, / Et puer redemptor orbis / os sacratum protulit.

O selig jener Anfang, / Als die Jungfrau gebar! / Sie brachte uns Rettung, / Trug Frucht vom heiligen Geist, / Und der Knabe, der Welterlöser, / Zeigte sein heiliges Antlitz.

Psallat altitudo caeli, / psallite omnes angeli, / Quidquid est virtutis usquam / psallat in laudem Dei, / Nulla linguarum silescat, / vox et omnis consonet.

Lobsinge, du himmlische Höhe, / Lobsingt ihr Engel alle! / Was immer nur Kraft hat / Soll singen zum göttlichen Lob. / Keine Zunge soll schweigen, / Jede Stimme ertönen!

Ecce, quem vates vetustis / concinebant saeculis, / Quem prophetarum fideles / paginae spoponderant, / Emicat promissus olim; / cuncta conlaudent eum.

Schaut her, den die Seher / Besangen in uralter Zeit, / Für den sich prophetische Schriften / Sicher verbürgten, / Der lange Verheiß'ne erscheint: / Laßt uns alle ihn loben!

Te senes et te iuventus, / parvulorum te chorus, / Turba matrum, virginumque, / simplices puellulae, / Voce concordes pudicis / perstrepant concentibus.

Dich sollen besingen Alte und Junge, / Der zarte Chor der Knaben, / Die Schar der Mütter und Jungfrau'n / Die einfachen Mädchen / Sollen reine Stimmen erheben, / und vereint dich preisen!

Übersetzung von Jacopone

Dienstag, 9. November 2010

... dieses Geheimnis ganz leise allen mitteilen

Heute, am 9. November, jährt sich der Todestag der seligen Elisabeth von Dijon. Sie starb bereits mit 26 Jahren 1906 im Karmel von Dijon. Mit 21 Jahren war sie in das Kloster eingetreten. Elisabeth von Dijon war vielseitig begabt, eine hervorragende Pianistin, intelligent und für alles Schöne aufgeschlossen. Nach weltlichen Maßstäben ist sie viel zu früh gestorben, und ihre Begabungen konnte sie „hinter Klostermauern“ auch nicht entfalten. Elisabeth selbst aber hätte einer solchen Sichtweise vehement widersprochen: „Mir scheint, ich habe meinen Himmel auf Erden gefunden, denn der Himmel ist Gott, und Gott ist in mir. An dem Tag, da ich dies verstanden habe, ist in mir alles hell geworden, und ich möchte dieses Geheimnis ganz leise allen mitteilen, die ich liebe", schrieb sie.

Ihr Ordensname „von der Heiligsten Dreifaltigkeit“ wurde ihr, wie Pater Recktenwald (http://www.kath-info.de/silvestrelli.html) schreibt, zum Programm. Aus der Anbetung der Trinität entwickelte sie eine mystische Spiritualität, die viele Menschen begeisterte und Theologen wie Hans-Urs von Balthasar dazu anregte, sich mit ihr zu befassen. Im Alter von 24 Jahren schrieb sie in einem Zug ihr berühmtes „Gebet an die Hl. Dreifaltigkeit“, einen der großen mystischen Texte des 20. Jahrhunderts.

Kaum zwei Jahre später wurde sie schwer krank und bettlägerig. Aus ihrem tiefen Glauben heraus konnte sie aber auch Krankheit und Schmerzen annehmen. Das schreibt sich so leicht. Aber nach allem, was wir von Elisabeth wissen, ist es die reine Wahrheit: „In dieser letzten Stunde meiner irdischen Verbannung, an diesem schönen Abend meines Lebens, erscheint mir im Licht der Ewigkeit alles so ernst... Ich möchte allen Menschen sagen können, wie leer und nichtig alles ist, was nicht für Gott getan wird!”, schrieb sie kurze Zeit vor ihrem Tod einer Freundin. Nach einer letzten qualvollen Nacht starb sie friedlich am Morgen des 9. November.

Ein verfehltes, vertanes Leben? Die Kirche sieht es, mal wieder, anders: „Unserer verunsicherten Menschheit, die scheinbar Gott nicht mehr oder nur entstellt findet und auf der Suche nach einem Wort ist, auf das sie ihre Hoffnung gründen kann, vermittelt Elisabeth von der heiligen Dreifaltigkeit das Zeugnis eines vollkommenen Offenseins für das Wort Gottes, das sie in einem solchen Maß geistig in sich aufnahm, daß sie darin alle Gründe fand, für das Lob der Herrlichkeit des dreifaltigen Gottes zu leben und sich ihm zu weihen“, sagte Papst Johannes Paul II. bei ihrer Seligsprechung. „Und diese Nonne, die weit davon entfernt war, sich abzuschließen, hat es verstanden, ihren Mitschwestern und ihren Nächsten den Reichtum ihrer mystischen Erfahrungen mitzuteilen.“ Oder einfacher formuliert: Elisabeth war so glücklich, daß sie allen Menschen, die sie kannte, daran teilnehmen lassen wollte. Kann man vom Leben mehr verlangen?

(Dieser Beitrag stützt sich auf die zitierte Webseite bei kath.info sowie auf die Kurzbiographie von Ferdinand Holböck, Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 2, Stein am Rhein: Christiana 1992, S. 31ff.)

Freitag, 29. Oktober 2010

Ich schreibe wie ...

Nachdem Johannes (http://materamata.blogspot.com/2010/10/oy-vey.html) von seinen Erfahrungen mit der FAZ-Seite „Ich schreibe wie“ berichtet hat, mußte ich das auch gleich ausprobieren. Also habe ich zwei Texte eingestellt. Zuerst einen für berufliche Zwecke. Ergebnis: Ich schreibe wie Melinda Nadj Abonji. Upps, wer ist das denn? Ein verbreiteter Internet-Suchdienst verrät mir: Melinda Nadj Abonji ist eine junge Schrifstellerin ungarischer Herkunft, die in der Schweiz lebt und sich vor allem als Performerin von Slam Poetry hervorgetan hat. Das Feuilleton der NZZ rühmt außerdem den Beat ihrer Sprache. Ich bin beeindruckt. Was für ungeahnte Talente schlummern doch in mir! Hoffentlich erfährt das mein Brötchengeber nicht. Slam Poetry ist, glaube ich, nicht das, was er von mir erwartet.

Zweiter Versuch, ein Text aus diesem Blog. Und das Ergebnis: Ich ... ähem ... Räusper ... also, ich ... hüstel ... Doch, es muß heraus: Ich – schreibe – wie – Johann – Wolfgang – naja, ihr wißt schon. Jahahaaa! Wie unser Dichterfürst! Welch ungeahnte Möglichkeiten tun sich da auf! Ich könnte meinen Künstlernamen ändern. „Johnny G.“ - das wäre doch eine passende Kombination meiner beiden literarischen Existenzweisen. Vielleicht sollten wir das Blog nur noch für zahlende Leser öffnen? Mal mit Benita darüber reden. Jetzt muß ich mich erst mal in meine Dichterklause zurückziehen. Und gründlich über meine weitere Karriere nachdenken. Mein seit langem nicht geschriebener Roman harrt der Veröffentlichung.

Jacopone

Sonntag, 24. Oktober 2010

Ein Schutzengel für Deutschland

Daß Deutschland sich abschafft, ist nicht erst seit Thilo Sarrazins Buch mit Händen zu greifen. Im Grunde reicht schon der Gang durch das Zentrum einer beliebigen deutschen Großstadt, um das zu sehen. Sarrazin analysiert diesen Vorgang soziologisch, ökonomisch, politisch, beschäftigt sich mit Bildungswesen, Zuwanderung und Sozialpolitik. Das ist sicher alles richtig und notwendig. Im Grunde aber ist doch die eigentliche Ursache dieser Misere spiritueller Art und mit dem Namen Auschwitz verknüpft.

Auschwitz, so meinte Günter Grass, habe den Deutschen eine privilegierte Erkenntnis verschafft: „Jetzt endlich kennen wir uns.“ In Auschwitz wäre demnach das deutsche Volk zu sich selbst gekommen. Ein monströses Verbrechen soll Kern unserer nationalen Identität sein und uns vor allen anderen Völkern auszeichnen. Kein Wunder, daß die Generationen, denen dieses Denken eingeimpft wurde, von deutscher Kultur nichts mehr wissen wollen und das allmähliche Verschwinden des eigenen Volkes scheinbar klaglos hinnehmen.

Um es gleich zu sagen: Ich möchte weder den Holocaust relativieren noch die Zahl seiner Opfer klein rechnen. Außerdem möchte ich auch keine Diskussion über die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg führen. Ich finde nur, daß die gegenwärtige herrschende Form von „Vergangenheitsbewältigung“ weder menschlich förderlich noch wirklich christlich ist. Und ich frage mich, ob es dazu nicht eine aus dem Glauben entwickelte Alternative geben kann. In dem schönen, wenn auch dogmatisch etwas beliebigen Buch „Das Schweigen der Engel. Einführung in die Angelologie“ von Andrei Plesu (Berlin: University Press 2007) bin ich auf eine Überlieferung gestoßen, die vom Alten Testament bis zu den Kirchenvätern reicht. Demnach haben auch die Nationen ihren Engel, den Gott ihnen zugewiesen hat. Origenes lehrt, daß die menschlichen Sprachen von Engeln geschaffen wurden. Am Ursprung jeder Volksgemeinschaft steht also, schreibt Plesu, „ein Engel, ein spirituelles Prinzip, das in der Seinsweise dieser Gemeinschaft, in ihrem historischen Schicksal, in ihrer Sprache und Kultur seinen Ausdruck findet“. Ein Engel, nicht ein KZ-Wärter, und auch nicht Adolf Hitler.

Für Plesu sind die Engel der Nationen ein Argument gegen das „nationalistische Ketzertum“: Wer seine eigene Nation über die anderen stellt, der wendet sich gegen alle anderen Engel und damit letzten Endes auch gegen Gott. Das ist richtig, gilt aber auch umgekehrt, für die Verachtung des eigenen Volkes. Denn ebenso wie uns der individuelle Selbstmord nicht gestattet ist, dürfen sich auch die Völker nicht selbst aufgeben. Und über unsere Schuld urteilen nicht wir selbst. Die Engel jedenfalls, so Plesu, identifizieren sich so mit den Völkern, die sie behüten, daß sie mit ihnen gemeinsam vor das Jüngste Gericht treten.

Das mag vielleicht spinnert klingen. In den politischen Diskurs einspeisen kann man es auch nicht. Aber was hindert uns eigentlich daran, unsere spirituelle Tradition ernst zu nehmen? Denn der nationale Selbsthaß könnte doch am ehesten geheilt werden, wenn wir wieder glauben könnten, daß auch unserer Geschichte ein spirituelles Prinzip zugrunde liegt.

Freitag, 8. Oktober 2010

Warum ich nicht mehr gerne in Buchhandlungen gehe

Buchhandlungen habe ich früher geliebt. Stundenlang konnte ich da herumstöbern - wenn mich die Verkäuferin nicht vorher gefragt hat, ob sie mir behilflich sein könne. Heute habe ich für einen Freund ein Buchgeschenk gekauft – und auf einmal wurde mir bewußt, daß mich die Umgebung abstößt. Natürlich habe ich mir überlegt, warum das so ist. Hier das Resultat:
1. der pseudointellektuelle Buchhändler vom Typ Germanistik-Student im 25. Semester, der sich während des Kassierens am Handy lauthals über die furchtbaren Sauereien echauffiert, die zur Zeit in Stuttgart laufen.
2. das linksliberale Mainstream-Sortiment, das einem von den Regalen in seiner ganzen breitspurigen Dürftigkeit entgegenkreischt. Das ist wirklich nichts dabei, was mich interessiert.
3. die Kundschaft, beispielhaft repräsentiert durch jene verhärmt wirkende Mittfünfzigerin mit lederner Haut, grauem Bürstenhaarschnitt und Süddeutscher Zeitung unter dem Arm, die sich beim pseudointellektuellen Buchhändler erkundigt, ob „Sie noch was von 'Ljossa' da haben“ (wahrscheinlich hat sie den Namen gestern in ihrem Kulturradio zum ersten Mal gehört und nur den letzten Bestandteil behalten).
Auf der Flucht gerate ich in einen jener mehrstöckigen Büchertempel, die der gebildete Literaturfreund höchstens mit Naserümpfen betritt. Und was sehe ich da? In der Mitte ein großer Tisch, voll beladen mit den roten Büchertürmen einer gewissen, nicht hilfreichen Neuerscheinung. (Beim pseudointellektuellen Qualitätsbuchhändler gibt's die höchstens ganz oben in der rechten Regalecke - das Geschäft will er sich denn doch nicht ganz entgehen lassen). Und neben den roten Türmen, o Wonne: Udo Ulfkotte! Manchmal verschafft mir sogar eine Buchhandlung meinen inneren Reichsparteitag.

Montag, 27. September 2010

Die kleine Therese, Joseph Roth und – Schnaps

Am 1. Oktober ist das Fest der heiligen Therese von Lisieux. Das weiß ich so genau, weil sie die Patronin der Schule ist, die ich besucht habe. Das hieß jedes Jahr: Patronatsfest, Schulgottesdienst und anschließend meist unterrichtsfrei, neun Jahre lang. Sowas prägt sich ein. Dennoch ist mir die heilige Therese in dieser Zeit nicht nähergekommen.

Geändert hat sich das erst, als ich Joseph Roths Erzählung „Die Legende vom heiligen Trinker“ gelesen habe. Und das, obwohl die heilige Therese darin gar nicht selbst auftritt (oder vielleicht doch?). Es ist Roths letzte Erzählung, geschrieben, als er schon vom jahrelangen Alkoholmißbrauch gezeichnet war, und sie hat nicht mehr ganz den Glanz seiner früheren Werke. Aber die Geschichte ist ergreifend: Ihr Hauptperson ist der Trinker Andreas, ein Stadtstreicher in Paris. Ihm wiederfährt eines Tages – ja, was eigentlich: ein Zufall, ein Wunder? Jedenfalls schenkt ihm ein wohlgekleideter Herr 200 Francs. Und hier kommt die heilige Therese ins Spiel: Denn da Andreas ein Mann von Ehre ist, verabredet er mit dem Herrn, das Geld zurückzuzahlen. Aber nicht dem Spender, sondern der „kleinen Therese“ in ihrer Kapelle Sainte-Marie-de-Batignolles. Insgesamt dreimal widerfahren dem guten Andreas solche Zufälle, dreimal kommt er unversehens in den Besitz großer Geldbeträge. Aber er macht keinen guten Gebrauch davon. Seine schwachen Versuche, sich in die Gesellschaft zurückzuarbeiten, scheitern sehr schnell: an falschen Freunden, leichten Mädchen und vor allem am Schnaps. Nur an die kleine Therese denkt er, denn er macht sich auch dreimal auf in die Kapelle Sainte-Marie-de-Batignolles, um die Schuld zurückzuzahlen. Aber vor der Kirche ist auch eine Kneipe, und so ist der gute Vorsatz rasch vergessen.

Da kommt die kleine Therese selbst zu ihm, in die Kneipe: „In diesem Augenblick tat sich die Tür auf, und während Andreas ein unheimliches Herzweh verspürte und eine große Schwäche im Kopf, sah er, daß ein junges Mädchen hereinkam und sich genau ihm gegenüber auf die Banquette setzte. Sie war sehr jung, so jung, wie er noch nie ein Mädchen gesehen zu glaubte, und sie war ganz himmelblau angezogen. Sie war nämlich blau, wie nur der Himmel blau sein kann, an manchen Tagen, und auch nur an gesegneten.“ Natürlich heißt das kleine Mädchen Therese, und es weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als der verwahrloste Mann ihm Geld aufdrängt. Während Andreas noch versucht, seine Schuld zu begleichen, bricht er zusammen, es geht mit ihm zu Ende. „Und man schleppt ihn, weil in der Nähe kein Arzt und keine Apotheke ist, in die Kapelle, und zwar in die Sakristei, weil Priester doch etwas von Sterben und Tod verstehen, wie die ungläubigen Kellner trotzdem glaubten; und das Fräulein, das Therese heißt, kann nicht umhin und geht mit.“ Hier stirbt Andreas.

„Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!“ - das ist der letzte Satz der Geschichte. Roths eigener Tod war leider anders. Er starb in einem Armenhospital, im Delirium tremens, ans Bett festgeschnallt und ganz verlassen. Fast könnte man meinen, daß sein Tod seine Erzählung widerlegt hat. Mir hat sie aber die Augen geöffnet, für die kleine Therese und für das, was sie uns zeigen will: das Wunderbare des Glaubens, das der Alltagsvernunft widerspricht. Das Schwache und Zarte, das doch so stark sein kann. Und die Gnade, die uns nachgeht, auch wenn wir ihr ausweichen.

Sonntag, 19. September 2010

Könnte katholischer Journalismus auch so aussehen?

„Schreiben Sie nichts, was nicht auch von der Jungfrau Maria unterschrieben werden könnte.“ Dieser Satz klingt so hoffnungslos naiv, so weltfremd, daß man fast darüber schmunzeln könnte. Aber er stammt von einem der erfolgreichsten katholischen Journalisten des 20. Jahrhunderts: dem heiligen Maximilian Kolbe. Verehrt wird er ja besonders als Märtyrer im Konzentrationslager Auschwitz. Weniger bekannt ist dagegen, daß dieser schmächtige, ständig von Krankheiten geplagte Franziskaner vor dem Krieg ein weltweit agierendes Presseunternehmen aufbaute. Die erfolgreichste von ihm herausgegebene Zeitschrift trug den wunderbar romantischen Titel „Ritter der Immaculata“ und erreichte immerhin eine Auflage von einer Million Exemplaren. Der „Ritter“, oder, wie er sich nannte, „Halbnarr“ der Immaculata, das war Kolbe selbst. Das Geheimnis seines Erfolges erklärt sein Biograph André Frossard so: „In der kleinformatigen Illustrierten“ wurde „nicht über die Welt für die Welt berichtet ..., sondern über den Himmel, über das Heil, das Leiden und die Hoffnung, eigentlich über all das, wovon die Presse nicht mehr spricht, sollte sie je davon gesprochen haben.“ Kolbe brachte seiner wachsenden Leserschaft das, „was den wenig gefragten Kern der menschlichen Natur ausmacht, nämlich den Wunsch zu glauben, zu hoffen und zu lieben.“

„Anstatt das Böse zu fördern, indem man über es schreibt, gilt es, das Gute hervorzuheben, um es dadurch um so begehrenswerter zu machen. Wenn schon die Aufmerksamkeit der Gesellschaft oder der Autoritäten auf irgendetwas Böses gelenkt werden muß, dann muß dies mit Liebe und Diskretion für die darin verwickelten Personen geschehen; man darf nicht übertreiben, niemals weiter als notwendig in die Einzelheiten des Bösen vordringen, um es zu beseitigen.“ Auch das ist eine Anweisung Kolbes für seine Redakteure. Ich muß gestehen, daß mich solche Sätze ein wenig beschämen. Ich bin kein Journalist, aber einiges, was ich hier geschrieben habe, ist von diesem Maßstab ziemlich weit entfernt. Könnte katholischer Journalismus heute noch so funktionieren? Ich glaube, daß der Kern der menschlichen Natur, von dem Frossard spricht, immer noch darauf wartet, angesprochen zu werden. Aber dazu müßte man wohl den den Glauben und die Unbekümmertheit eines Kolbe haben, der, so Frossard, einfach das „wiederholte ..., was ihm sein Herz eingab.“ Man müßte Sätze formulieren können wie diesen: „Ein einziger Akt vollkommener Liebe läßt die Seele wiedererstehen.“ Und man müßte so etwas nicht nur schreiben, sondern tun. So wie Kolbe es getan hat, als er in Auschwitz sein Leben für einen anderen, ihm völlig fremden Menschen opferte. Man müßte ... ja, müßte man das wirklich: ein Heiliger sein?

Alle Zitate aus dem Buch „Die Leidenschaft des Maximilian Kolbe: Eine Biographie“ von André Frossard (Kreuz-Verlag Stuttgart 1988).

PS. Allerdings brauche ich morgens nur fünf Minuten Frühstücksfernsehen zu gucken, um mir sofort einen ganz anderen katholischen Journalismus zu wünschen: einen, der der medialen Einheitsfront kräftig Contra gibt. Und das so aggressiv und polemisch wie möglich.