Vor sechs Jahren ging ein Zeitalter zu Ende. Ich schrieb gerade Mails, der Fernseher lief nebenbei. "Wetten dass" wurde abgebrochen, denn der Papst war tot. Es gab eine Liveschaltung zum Petersplatz, die Kommentatorin war völlig überfordert. Ein Kameraschwenk zu der Menge, die Menschen, die gerade die Todesnachricht erhalten hatten, weinten und applaudierten. Anne Will führte ein Interview, ich weiß nicht mehr mit wem, und erklärte, daß dieser Papst ja nicht unumstritten war, wegen Zölibat und Aids. Es verletzte mich, in diesem Moment das übliche dumme Gequatsche zu hören. Ich öffnete das Fenster, weil ich dachte, es müßte Glockengeläut zu hören sein. Draußen war alles still. Ich weinte. Auch in meinem Leben war etwas zu Ende gegangen. In einem Leben, in dem es noch keinen anderen Papst gegeben hatte. Ein Freund, der Theologie studiert hatte, versuchte mich damit zu trösten, daß ein Papst zwar sterben kann, das Papsttum aber bleibt. Er hatte noch mehr geweint als ich.
Am 3. April ging ich früh am Morgen in den Mainzer Dom. Dort stand ein Foto mit Trauerband, davor lagen Blumen. Johannes Paul II. lächelte auf dem Bild. Einige Gläubige knieten sich hin oder verbeugten sich, eine Frau küßte das Bild. Ich dachte, auch ich will mich verabschieden, mit irgendeiner Geste. Küsse, Verbeugungen oder Kniebeugen, das paßte nicht zu mir. Ich blieb eine Weile stehen, und dann nickte ich ihm bloß zu. Der Abschied tat weh.
Samstag, 2. April 2011
Eine Bekehrungsgeschichte
Wir gingen in der Grundschule in eine Klasse, waren danach noch befreundet, haben uns nach dem Abitur aus den Augen verloren und vor kurzem wiedergetroffen. Julia, so nenne ich sie jetzt, hat immer alle ihre Ziele erreicht. Sie ist ehrgeizig und klug, hat ein Faible für Mathematik und den Verstand eines Ingenieurs. Sie urteilt nie schnell und denkt über jeden Aspekt eines Problems gründlich nach. So neigt sie nicht zu extremen Positionen. Eine rebellische Phase hatte sie nie. Aber sie hatte immer einen Plan für ihr Leben, ein Ziel, wußte, wo sie hinwollte. Das alles hatte ich nicht, aber jetzt geht es um sie.
Nach dem Einser-Abitur studierte sie sehr schnell, absolvierte ein Auslandssemester und zahlreiche Praktika. Sie fand nach dem Abschluß sofort eine Stelle, arbeitete viel und machte Karriere. Sie hatte immer einen Freund. Als eine langjährige Beziehung zerbrach, fand sie schnell einen neuen Partner. Sie kaufte sich eine Wohnung, verreiste oft, lief Marathon, konnte sich alles kaufen, was sie wollte. Sie gab viel Geld für Business-Kleidung aus. Ihr Besitz wuchs an, gleichzeitig die finanziellen Verpflichtungen. Sie trat aus der evangelischen Kirche aus, weil sie keine Kirchensteuer zahlen wollte. Damals war sie religiös indifferent, die Frage nach Gott kam in ihrem Leben nicht vor. Sie hatte keine Zeit dafür.
Irgendwann kam ein Kind. Es war ungeplant, aber das warf Julia nicht aus der Bahn. Ich weiß nicht, wie sie sich gefühlt hat, als sie schwanger wurde. Ich vermute, daß sie alles genau durchgerechnet und geplant hat, denn so ist sie. Ihre Tochter Lilli kam zur Welt. Nach der Geburt stieg Julia so schnell wie möglich wieder in den Beruf ein, Vollzeit. Natürlich dachte sie nicht daran, Lilli taufen zu lassen, denn sie war ja aus der Kirche ausgetreten. Und dann heißt es ja auch immer, man soll Kindern den Glauben nicht aufdrängen.
Das Leben wurde noch anstrengender. Die Tage gehörten dem Job, die Abende und Nächte und Wochenenden dem Baby. Sie brachte Lilli morgens in die Kita und hatte dabei das Gefühl, daß das alles richtig ist oder, genauer: daß eine Frau es nur auf diese Weise richtig machen kann. Daß die Gesellschaft das von ihr erwartet: Vollzeit arbeiten und ein Kind haben und immer alles geben. Julia war in den nächsten Jahren oft am Rande völliger Erschöpfung.
Sie hätte vielleicht so weitergemacht, aber ihr fiel auf, daß Lilli sich veränderte. Wenn sie sie abends aus der Kita abholte, war sie überdreht und unruhig. Am Wochenende war Lilli anders, gelassener, glücklicher. Da spielte Julia mit ihr, machte mit ihr Ausflüge, war ganz für sie da. Die Beziehung zu Lillis Vater, eine Wochenendbeziehung, war zu diesem Zeitpunkt längst zerbrochen. Lilli wurde immer nervöser und aggressiver. Als Julia nach der Ursache forschte, wurde ihr klar, daß Lilli sie braucht. Daß sie Lilli zu wenig Platz in ihrem Leben einräumte, obwohl sie für sie doch das Wichtigste war. Sie dachte nach und prüfte alle Möglichkeiten. Dann nahm sie ihr Elternjahr, Lilli war da drei Jahre alt.
In den ersten Monaten war Julia sehr müde. Sie merkte, daß auch sie selbst dieses Jahr brauchte, um innerlich zur Ruhe zu kommen. So erschöpft war sie. Sie und Lilli, sie mußten beide wieder ihr inneres Gleichgewicht finden, sagt sie. Erst wieder zu Kräften kommen, dann überlegen, wie es weitergeht. Ihr wurde klar, daß sie nicht mehr so leben wollte wie vorher. Sie wollte miterleben, wie Lilli groß wird.
Lilli kam bald in die Phase, in der Kinder ihre Eltern von morgens bis abends mit Fragen löchern und alles genau wissen wollen. Warum regnet es? Warum ist der Mann da so dick? Warum ist es nachts dunkel? Wo ist der Mond, wenn es hell ist? Geht das Sandmännchen schlafen? Und natürlich kam irgendwann die Frage: "Wer hat die Welt gemacht?"
Da mußte Julia wieder abwägen. Denn sie wußte ja selbst nicht, was sie glauben sollte. Der Urknall oder Gott? Über solche Fragen dachte sie sonst nicht nach. Überhaupt, sollte sie Lilli von Gott erzählen? Man soll einem Kind den Glauben nicht aufdrängen, dachte sie, aber ihm Wissen vorzuenthalten, wäre auch falsch. Letztlich entschied sie sich für die Antwort, die sie als besonders kindgerecht empfand und die ihr in diesem Moment, nach langem Nachdenken, gar nicht so unwahrscheinlich vorkam: nicht etwa "Das Universum ist durch den Urknall entstanden", sondern: "Der liebe Gott hat die Welt gemacht."
Julia merkte schnell, daß sie aus dieser Nummer nicht mehr herauskam. "Wer ist der liebe Gott?" "Warum hat er die Welt gemacht?" "Kann man mit ihm reden?" "Wo wohnt er?" "Wann gehen wir ihn besuchen?" Lilli wollte mit Gott reden. Also beschloß Julia, vor dem Schlafengehen mit ihr zu beten. Sie sagte sich, ein solches Ritual, das dem Tag eine Struktur gibt, kann nicht schaden.
Sie beteten jeden Abend, und Julia merkte, daß es Lilli beruhigte. Julia fing an, sich über den Glauben zu informieren, um Lilli besser antworten zu können. Denn Lilli hörte nicht auf zu fragen. Die Sache mit Gott interessierte sie.
Dann kam jener Moment, der sich jeder Analyse, jedem Kalkulieren und Abwägen entzog. Nach dem Abendgebet hatte Julia auf einmal den Gedanken: "Ich glaube an Gott."
Mehr war da nicht, keine Erschütterung, kein plötzlicher Umbruch, keine großen Gesten oder Bilder, sondern nur eine leise Stimme in ihr. Diese Bekehrung löste keine Lebenswende aus, denn Julia hatte schon längst, in kleinen Schritten, ihr Leben geändert. Nach dem Elternjahr arbeitete sie halbtags, Lilli ging in den Kindergarten. Geld und Karriere sind für Julia nicht mehr so wichtig. Sie will lieber bei ihrem Kind sein, mehr lesen, sich Wissen aneignen, Zeit haben, um nachzudenken und für andere da zu sein. Sie sucht nach der Wahrheit und stellt sich nun dieselben Fragen wie Lilli. Julia ist wieder in die evangelische Kirche eingetreten. Lilli wurde vor kurzem getauft. Sie hat verstanden, was da passiert, und hat sich gefreut.
Nach dem Einser-Abitur studierte sie sehr schnell, absolvierte ein Auslandssemester und zahlreiche Praktika. Sie fand nach dem Abschluß sofort eine Stelle, arbeitete viel und machte Karriere. Sie hatte immer einen Freund. Als eine langjährige Beziehung zerbrach, fand sie schnell einen neuen Partner. Sie kaufte sich eine Wohnung, verreiste oft, lief Marathon, konnte sich alles kaufen, was sie wollte. Sie gab viel Geld für Business-Kleidung aus. Ihr Besitz wuchs an, gleichzeitig die finanziellen Verpflichtungen. Sie trat aus der evangelischen Kirche aus, weil sie keine Kirchensteuer zahlen wollte. Damals war sie religiös indifferent, die Frage nach Gott kam in ihrem Leben nicht vor. Sie hatte keine Zeit dafür.
Irgendwann kam ein Kind. Es war ungeplant, aber das warf Julia nicht aus der Bahn. Ich weiß nicht, wie sie sich gefühlt hat, als sie schwanger wurde. Ich vermute, daß sie alles genau durchgerechnet und geplant hat, denn so ist sie. Ihre Tochter Lilli kam zur Welt. Nach der Geburt stieg Julia so schnell wie möglich wieder in den Beruf ein, Vollzeit. Natürlich dachte sie nicht daran, Lilli taufen zu lassen, denn sie war ja aus der Kirche ausgetreten. Und dann heißt es ja auch immer, man soll Kindern den Glauben nicht aufdrängen.
Das Leben wurde noch anstrengender. Die Tage gehörten dem Job, die Abende und Nächte und Wochenenden dem Baby. Sie brachte Lilli morgens in die Kita und hatte dabei das Gefühl, daß das alles richtig ist oder, genauer: daß eine Frau es nur auf diese Weise richtig machen kann. Daß die Gesellschaft das von ihr erwartet: Vollzeit arbeiten und ein Kind haben und immer alles geben. Julia war in den nächsten Jahren oft am Rande völliger Erschöpfung.
Sie hätte vielleicht so weitergemacht, aber ihr fiel auf, daß Lilli sich veränderte. Wenn sie sie abends aus der Kita abholte, war sie überdreht und unruhig. Am Wochenende war Lilli anders, gelassener, glücklicher. Da spielte Julia mit ihr, machte mit ihr Ausflüge, war ganz für sie da. Die Beziehung zu Lillis Vater, eine Wochenendbeziehung, war zu diesem Zeitpunkt längst zerbrochen. Lilli wurde immer nervöser und aggressiver. Als Julia nach der Ursache forschte, wurde ihr klar, daß Lilli sie braucht. Daß sie Lilli zu wenig Platz in ihrem Leben einräumte, obwohl sie für sie doch das Wichtigste war. Sie dachte nach und prüfte alle Möglichkeiten. Dann nahm sie ihr Elternjahr, Lilli war da drei Jahre alt.
In den ersten Monaten war Julia sehr müde. Sie merkte, daß auch sie selbst dieses Jahr brauchte, um innerlich zur Ruhe zu kommen. So erschöpft war sie. Sie und Lilli, sie mußten beide wieder ihr inneres Gleichgewicht finden, sagt sie. Erst wieder zu Kräften kommen, dann überlegen, wie es weitergeht. Ihr wurde klar, daß sie nicht mehr so leben wollte wie vorher. Sie wollte miterleben, wie Lilli groß wird.
Lilli kam bald in die Phase, in der Kinder ihre Eltern von morgens bis abends mit Fragen löchern und alles genau wissen wollen. Warum regnet es? Warum ist der Mann da so dick? Warum ist es nachts dunkel? Wo ist der Mond, wenn es hell ist? Geht das Sandmännchen schlafen? Und natürlich kam irgendwann die Frage: "Wer hat die Welt gemacht?"
Da mußte Julia wieder abwägen. Denn sie wußte ja selbst nicht, was sie glauben sollte. Der Urknall oder Gott? Über solche Fragen dachte sie sonst nicht nach. Überhaupt, sollte sie Lilli von Gott erzählen? Man soll einem Kind den Glauben nicht aufdrängen, dachte sie, aber ihm Wissen vorzuenthalten, wäre auch falsch. Letztlich entschied sie sich für die Antwort, die sie als besonders kindgerecht empfand und die ihr in diesem Moment, nach langem Nachdenken, gar nicht so unwahrscheinlich vorkam: nicht etwa "Das Universum ist durch den Urknall entstanden", sondern: "Der liebe Gott hat die Welt gemacht."
Julia merkte schnell, daß sie aus dieser Nummer nicht mehr herauskam. "Wer ist der liebe Gott?" "Warum hat er die Welt gemacht?" "Kann man mit ihm reden?" "Wo wohnt er?" "Wann gehen wir ihn besuchen?" Lilli wollte mit Gott reden. Also beschloß Julia, vor dem Schlafengehen mit ihr zu beten. Sie sagte sich, ein solches Ritual, das dem Tag eine Struktur gibt, kann nicht schaden.
Sie beteten jeden Abend, und Julia merkte, daß es Lilli beruhigte. Julia fing an, sich über den Glauben zu informieren, um Lilli besser antworten zu können. Denn Lilli hörte nicht auf zu fragen. Die Sache mit Gott interessierte sie.
Dann kam jener Moment, der sich jeder Analyse, jedem Kalkulieren und Abwägen entzog. Nach dem Abendgebet hatte Julia auf einmal den Gedanken: "Ich glaube an Gott."
Mehr war da nicht, keine Erschütterung, kein plötzlicher Umbruch, keine großen Gesten oder Bilder, sondern nur eine leise Stimme in ihr. Diese Bekehrung löste keine Lebenswende aus, denn Julia hatte schon längst, in kleinen Schritten, ihr Leben geändert. Nach dem Elternjahr arbeitete sie halbtags, Lilli ging in den Kindergarten. Geld und Karriere sind für Julia nicht mehr so wichtig. Sie will lieber bei ihrem Kind sein, mehr lesen, sich Wissen aneignen, Zeit haben, um nachzudenken und für andere da zu sein. Sie sucht nach der Wahrheit und stellt sich nun dieselben Fragen wie Lilli. Julia ist wieder in die evangelische Kirche eingetreten. Lilli wurde vor kurzem getauft. Sie hat verstanden, was da passiert, und hat sich gefreut.
Freitag, 25. März 2011
Haie
Anfang Februar hat ein Hai am Strand von Cancún eine kanadische Touristin angefallen. Die mexikanischen Zeitungen widmeten diesem Vorfall viele Artikel: Ist doch ein Haiangriff für den Tourismus dort ein großer Unglücksfall. Die örtlichen Behörden reagierten schnell. Sie erlaubten schon am nächsten Tag den Fischern, soviele Haie wie möglich zu töten.
Die Fischer töteten 70 Haie. Diese Tat erscheint zugleich vernunftwidrig, nachvollziehbar und ohnmächtig. Vernunftwidrig, weil sie keine Wirkung zeigen kann, es war ein sinnloses Schlachten. Nachvollziehbar als Zeichen, nicht nur, um die Touristen zu beruhigen, sondern auch aus gewichtigeren Gründen: Durch den Akt der Tötung versuchte man die Haie und damit die Natur der menschlichen Ordnung zu unterwerfen – einer Ordnung also, die Krieg, Gerechtigkeit, Rache, Strafe und Abschreckung kennt. „Ihr habt einen von uns angegriffen, wir töten 70 von euch.“ Eine solche Tat wäre kraftvoll und überzeugend, wenn sie auf einen vernünftigen Gegner stoßen würde.
Doch gerade dies ist nicht der Fall. Durch die Tötung der Haie wird die Ohnmacht des Menschen sichtbar, denn man tröstete sich einen Moment lang mit der Illusion, die Natur sei beherrschbar. Dabei bleibt sie bedrohlich. Und gerade heute, wo die Natur vergöttert wird und der Ökologismus längst den Rang einer Ersatzreligion hat, schadet es nicht, daran zu erinnern, daß die Natur nicht nur schön, sondern auch ein übermächtiger Gegner des Menschen sein kann. Jede Freiheit mußte er ihr erst abringen. Das vergißt man leicht, solange man sich in Sicherheit wiegt.
Haiangriffe erschrecken, selbst dann, wenn sie glimpflich verlaufen: Dies ist ihrem symbolischen Charakter geschuldet. Denn sie machen sichtbar, wie brüchig die Schutzzonen sind, die die Menschen sich geschaffen haben. Vor der Natur gibt es keine Rettung. Und wenn in den deutschen Medien weniger von dem Erdbeben und dem Tsunami die Rede ist, die in Japan viele Tausend Menschen das Leben gekostet haben, sondern ein damit verbundener Atomunfall geradezu hysterische Reaktionen hervorruft, mag nicht nur Berechnung dahinterstecken (auch wenn ein solcher Vorfall hier leider sehr vielen gut ins Konzept paßt). Vielleicht ist auch das ein schwächlicher Versuch, eine Naturkatastrophe vor dem Hintergrund einer von Menschen erschaffenen Ordnung zu betrachten. Denn Atomkraftwerke lassen sich abstellen, Erdbeben nicht. Die Ohnmacht des Menschen wird um so deutlicher sichtbar.
Die Fischer töteten 70 Haie. Diese Tat erscheint zugleich vernunftwidrig, nachvollziehbar und ohnmächtig. Vernunftwidrig, weil sie keine Wirkung zeigen kann, es war ein sinnloses Schlachten. Nachvollziehbar als Zeichen, nicht nur, um die Touristen zu beruhigen, sondern auch aus gewichtigeren Gründen: Durch den Akt der Tötung versuchte man die Haie und damit die Natur der menschlichen Ordnung zu unterwerfen – einer Ordnung also, die Krieg, Gerechtigkeit, Rache, Strafe und Abschreckung kennt. „Ihr habt einen von uns angegriffen, wir töten 70 von euch.“ Eine solche Tat wäre kraftvoll und überzeugend, wenn sie auf einen vernünftigen Gegner stoßen würde.
Doch gerade dies ist nicht der Fall. Durch die Tötung der Haie wird die Ohnmacht des Menschen sichtbar, denn man tröstete sich einen Moment lang mit der Illusion, die Natur sei beherrschbar. Dabei bleibt sie bedrohlich. Und gerade heute, wo die Natur vergöttert wird und der Ökologismus längst den Rang einer Ersatzreligion hat, schadet es nicht, daran zu erinnern, daß die Natur nicht nur schön, sondern auch ein übermächtiger Gegner des Menschen sein kann. Jede Freiheit mußte er ihr erst abringen. Das vergißt man leicht, solange man sich in Sicherheit wiegt.
Haiangriffe erschrecken, selbst dann, wenn sie glimpflich verlaufen: Dies ist ihrem symbolischen Charakter geschuldet. Denn sie machen sichtbar, wie brüchig die Schutzzonen sind, die die Menschen sich geschaffen haben. Vor der Natur gibt es keine Rettung. Und wenn in den deutschen Medien weniger von dem Erdbeben und dem Tsunami die Rede ist, die in Japan viele Tausend Menschen das Leben gekostet haben, sondern ein damit verbundener Atomunfall geradezu hysterische Reaktionen hervorruft, mag nicht nur Berechnung dahinterstecken (auch wenn ein solcher Vorfall hier leider sehr vielen gut ins Konzept paßt). Vielleicht ist auch das ein schwächlicher Versuch, eine Naturkatastrophe vor dem Hintergrund einer von Menschen erschaffenen Ordnung zu betrachten. Denn Atomkraftwerke lassen sich abstellen, Erdbeben nicht. Die Ohnmacht des Menschen wird um so deutlicher sichtbar.
Dienstag, 22. März 2011
Zweifel und Bestandsaufnahme
Im Zweifeln ist die Urangst aufgehoben, daß kein Gott ist, wir verwaist sind und das Universum leer ist. Doch Zweifel sind auch die Flügel, die dem Glauben helfen, sich fortzubewegen.
Meine letzte Glaubenskrise ist schon ein paar Monate her. Ich war kurz davor, den Glauben zu verlieren - weil ich den Glauben verlieren wollte. Doch waren nicht Zweifel an der Wahrheit des Glaubens der Grund, sondern Abneigung gegen die verschiedenen katholischen Milieus. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir das eingestanden habe. Doch dann konnte ich auch mit dem konservativen Katholizismus in seiner deutschen Ausprägung endgültig brechen. Dort begegnete mir das Christentum zu oft in Gestalt eines einseitigen Moralismus.
Zum Glück ist der Glaube größer als das alles. Ich dachte darüber nach, was Glaube nicht ist, um mich dem annähern zu können was Glaube ist.
Ein erster Schritt war es für mich zu erkennen, daß Glaube und Gruppenidentität nicht identisch sind. Es ist leicht, sich als der bessere Christ zu fühlen, weil man eine bestimmte Meinung vertritt, konservativ ist oder liberal, sich mit anderen verbündet im Kampf gegen den Gegner. Doch letztlich weiß ich nicht, ob die alte Frau, die denkt, die Abschaffung des Zölibats wäre gut für die Kirche, Christus nicht mehr liebt als ich. Die Erkenntnis ist schwach, jeder pflegt seine Irrtümer und nur Gott kennt die Herzen.
Glaube ist nicht Ideologie. Er ist nicht identisch mit dem Fortschrittsglauben, der die Grundmelodie der säkularen Welt bildet - auch wenn oft versucht wird, diesen in den religiösen Bereich hineinzutransportieren. Zum Scheitern verurteilt ist aber auch der Traum, hinter die Moderne zurückzugehen. Mir begegneten Menschen, die von vergangenen goldenen Zeiten träumen, und ich gebe zu, daß dies reizvoll sein kann. Allerdings gibt es in der Geschichte keine goldenen Zeiten. Die Welt war auch 1950 schon gefallen, sie war es in der Barockzeit und im Mittelalter.
Sicher darf man Glauben auch nicht verwechseln mit der Begeisterung in den ersten Jahren nach der Re- oder Konversion. Der anfängliche Überschwang vergeht wie Verliebtheit. Ich merkte plötzlich: Da ist kein Gefühl mehr, nur Pflicht.
Die ästhetische Ergriffenheit, wenn man etwas sieht oder hört, was einem gefällt, seien es alte Choräle oder neue geistliche Lieder, seien es gotische Kathedralen oder karge neue Kirchenbauten, ist auch kein Glaube. Kunst kann zum Glauben führen, doch sie ist bloß Mittel und Weg. Ich war in der tridentinischen Messe, hörte gregorianischen Choral und es hat mich nicht berührt. Es war gut, denn ich gewann dadurch Freiheit.
Glaube ist nicht die gute Atmosphäre, die von einzelnen Personen geschaffen wird. Sie verschwindet, wenn diese Personen gehen, und man ist traurig. Dann zu bleiben ist wirklich schwer.
Glaube ist nicht Erkenntnisgewinn. Wenn man, frisch bekehrt, den Glauben entdeckt hat, droht die größte Gefahr: Hochmut. Es entfernt einen von Gott, wenn man anfängt zu denken, man sei anderen im Glauben voraus, weil diese sich in dem einen oder anderen Punkt irren. Wenn man versucht, mit Hilfe des Glaubens das Selbstwertgefühl aufzumöbeln. Sich wünscht, daß andere sehen, daß man mehr kniet als sie, demütiger ist als sie, die Kommunion würdiger empfängt, mehr und inniger betet, angemessener gekleidet ist. Wenn man zu glauben anfängt, man sei Gott näher als der Banknachbar.
Wenn Hochmut so gefährlich ist, liegt der Kern des Glaubens vielleicht in der Demut. Es schadet also nicht zu erkennen, wie wenig man weiß und wie schwach der eigene Glaube ist. Es schadet auch nicht, wenn das Vertrauen in die eigene Standfestigkeit erschüttert wird. Deshalb können Phasen der Dunkelheit und Müdigkeit ein Geschenk sein. Wenn Kleinigkeiten genügen, um Zweifel zu wecken; wenn man nicht mehr beten will und sich in die Sonntagsmesse zwingt; wenn man erkennt: hier gehöre ich nicht hin; wenn man 100 Mal am Tag denkt: ohne Glauben ginge es mir besser. Und wenn am Ende die Erkenntnis bleibt: Ich bin zu schwach zu glauben. Ich kann es nicht. Nicht ohne Deine Hilfe. Wenn man erkennt, daß man sich selbst nicht retten kann ...
... dann ist man vielleicht bereit zum nächsten Schritt: zu erkennen, daß man den eigenen Willen aufgeben muß, um Seinen tun zu können. Kann man jemals soweit kommen?
Meine letzte Glaubenskrise ist schon ein paar Monate her. Ich war kurz davor, den Glauben zu verlieren - weil ich den Glauben verlieren wollte. Doch waren nicht Zweifel an der Wahrheit des Glaubens der Grund, sondern Abneigung gegen die verschiedenen katholischen Milieus. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir das eingestanden habe. Doch dann konnte ich auch mit dem konservativen Katholizismus in seiner deutschen Ausprägung endgültig brechen. Dort begegnete mir das Christentum zu oft in Gestalt eines einseitigen Moralismus.
Zum Glück ist der Glaube größer als das alles. Ich dachte darüber nach, was Glaube nicht ist, um mich dem annähern zu können was Glaube ist.
Ein erster Schritt war es für mich zu erkennen, daß Glaube und Gruppenidentität nicht identisch sind. Es ist leicht, sich als der bessere Christ zu fühlen, weil man eine bestimmte Meinung vertritt, konservativ ist oder liberal, sich mit anderen verbündet im Kampf gegen den Gegner. Doch letztlich weiß ich nicht, ob die alte Frau, die denkt, die Abschaffung des Zölibats wäre gut für die Kirche, Christus nicht mehr liebt als ich. Die Erkenntnis ist schwach, jeder pflegt seine Irrtümer und nur Gott kennt die Herzen.
Glaube ist nicht Ideologie. Er ist nicht identisch mit dem Fortschrittsglauben, der die Grundmelodie der säkularen Welt bildet - auch wenn oft versucht wird, diesen in den religiösen Bereich hineinzutransportieren. Zum Scheitern verurteilt ist aber auch der Traum, hinter die Moderne zurückzugehen. Mir begegneten Menschen, die von vergangenen goldenen Zeiten träumen, und ich gebe zu, daß dies reizvoll sein kann. Allerdings gibt es in der Geschichte keine goldenen Zeiten. Die Welt war auch 1950 schon gefallen, sie war es in der Barockzeit und im Mittelalter.
Sicher darf man Glauben auch nicht verwechseln mit der Begeisterung in den ersten Jahren nach der Re- oder Konversion. Der anfängliche Überschwang vergeht wie Verliebtheit. Ich merkte plötzlich: Da ist kein Gefühl mehr, nur Pflicht.
Die ästhetische Ergriffenheit, wenn man etwas sieht oder hört, was einem gefällt, seien es alte Choräle oder neue geistliche Lieder, seien es gotische Kathedralen oder karge neue Kirchenbauten, ist auch kein Glaube. Kunst kann zum Glauben führen, doch sie ist bloß Mittel und Weg. Ich war in der tridentinischen Messe, hörte gregorianischen Choral und es hat mich nicht berührt. Es war gut, denn ich gewann dadurch Freiheit.
Glaube ist nicht die gute Atmosphäre, die von einzelnen Personen geschaffen wird. Sie verschwindet, wenn diese Personen gehen, und man ist traurig. Dann zu bleiben ist wirklich schwer.
Glaube ist nicht Erkenntnisgewinn. Wenn man, frisch bekehrt, den Glauben entdeckt hat, droht die größte Gefahr: Hochmut. Es entfernt einen von Gott, wenn man anfängt zu denken, man sei anderen im Glauben voraus, weil diese sich in dem einen oder anderen Punkt irren. Wenn man versucht, mit Hilfe des Glaubens das Selbstwertgefühl aufzumöbeln. Sich wünscht, daß andere sehen, daß man mehr kniet als sie, demütiger ist als sie, die Kommunion würdiger empfängt, mehr und inniger betet, angemessener gekleidet ist. Wenn man zu glauben anfängt, man sei Gott näher als der Banknachbar.
Wenn Hochmut so gefährlich ist, liegt der Kern des Glaubens vielleicht in der Demut. Es schadet also nicht zu erkennen, wie wenig man weiß und wie schwach der eigene Glaube ist. Es schadet auch nicht, wenn das Vertrauen in die eigene Standfestigkeit erschüttert wird. Deshalb können Phasen der Dunkelheit und Müdigkeit ein Geschenk sein. Wenn Kleinigkeiten genügen, um Zweifel zu wecken; wenn man nicht mehr beten will und sich in die Sonntagsmesse zwingt; wenn man erkennt: hier gehöre ich nicht hin; wenn man 100 Mal am Tag denkt: ohne Glauben ginge es mir besser. Und wenn am Ende die Erkenntnis bleibt: Ich bin zu schwach zu glauben. Ich kann es nicht. Nicht ohne Deine Hilfe. Wenn man erkennt, daß man sich selbst nicht retten kann ...
... dann ist man vielleicht bereit zum nächsten Schritt: zu erkennen, daß man den eigenen Willen aufgeben muß, um Seinen tun zu können. Kann man jemals soweit kommen?
Montag, 21. März 2011
Zurück in Deutschland
Ich war eine Weile unterwegs und bin nach Deutschland zurückgekehrt. Es gibt vieles, was ich neu zu schätzen lerne: die Verläßlichkeit und daß fast alles funktioniert; der Hausarzt ist nur ein paar Schritte von der Wohnung entfernt und man bekommt sofort einen Termin; in den Supermärkten gibt es nicht nur Süßigkeiten, Chips und Softgetränke wie in manchen weit entfernten Ländern; Hotelzimmer ohne Kakerlaken; die Geradlinigkeit hier. Manches funktioniert allerdings nicht mehr so wie früher: Der Taxifahrer, der mich vom Flughafen nach Hause brachte, kannte meine Straße nicht und wußte noch nicht einmal den Weg zum Frankfurter Hauptbahnhof, er sprach kein Deutsch, war schwerhörig und konnte rechts und links nicht unterscheiden. Das habe ich erst gemerkt, nachdem er losgefahren war. Typisch, das ist Frankfurt, ein Taxifahrer als Symbol für die ganze multikultiversessene Unzulänglichkeit der Stadt.
Blickt man nach langer Zeit in deutsche Zeitungen, zeigt das Land sofort seine infamste Seite. Überall auf der Welt liest man von Tsunami und Erdbeben und von Leid und Tapferkeit der Japaner - nur hier gibt‘s einen Atom-Gau, der aus tagespolitischen Gründen beinahe herbeigesehnt wird. Widerlich.
Mir kommt der Gedanke, daß die Deutschen in Ordnung sind. Nur sollten sie sich von dieser durchideologisierten politischen Klasse und der diese begleitenden linken Journaille befreien.
Ist es eine Eigenschaft der Deutschen, sich in Ideologien hineinzusteigern und dabei Herzenskälte zu entwickeln? Blickt man von Außen auf das Land, wirkt es so. Vor allem, wenn man auf die Kirche blickt, und das ist tragisch. Die katholische Kirche in ihrer Ausformung hier würde woanders nur Kopfschütteln hervorrufen. Lieben sie einander? Gewiß nicht. Hier inszeniert man ideologische Grabenkämpfe zwischen Konservativen und Liberalen, veranstaltet Demos, Kundgebungen und erstellt Unterschriftenlisten ... Kann man hier überhaupt katholisch sein, ohne in irgendwelche politisierenden Auseinandersetzungen mit hineingezogen zu werden? Wenn man gesehen hat, mit wieviel Liebe zu Gott und dem Nächsten woanders Messe gefeiert wird, wecken die deutschen Verhältnisse nur noch Ekel. Und doch braucht man nur ein wenig zu verreisen, und die ganzen Auseinandersetzungen hier kommen einem vor wie ein Sturm im Wasserglas.
Blickt man nach langer Zeit in deutsche Zeitungen, zeigt das Land sofort seine infamste Seite. Überall auf der Welt liest man von Tsunami und Erdbeben und von Leid und Tapferkeit der Japaner - nur hier gibt‘s einen Atom-Gau, der aus tagespolitischen Gründen beinahe herbeigesehnt wird. Widerlich.
Mir kommt der Gedanke, daß die Deutschen in Ordnung sind. Nur sollten sie sich von dieser durchideologisierten politischen Klasse und der diese begleitenden linken Journaille befreien.
Ist es eine Eigenschaft der Deutschen, sich in Ideologien hineinzusteigern und dabei Herzenskälte zu entwickeln? Blickt man von Außen auf das Land, wirkt es so. Vor allem, wenn man auf die Kirche blickt, und das ist tragisch. Die katholische Kirche in ihrer Ausformung hier würde woanders nur Kopfschütteln hervorrufen. Lieben sie einander? Gewiß nicht. Hier inszeniert man ideologische Grabenkämpfe zwischen Konservativen und Liberalen, veranstaltet Demos, Kundgebungen und erstellt Unterschriftenlisten ... Kann man hier überhaupt katholisch sein, ohne in irgendwelche politisierenden Auseinandersetzungen mit hineingezogen zu werden? Wenn man gesehen hat, mit wieviel Liebe zu Gott und dem Nächsten woanders Messe gefeiert wird, wecken die deutschen Verhältnisse nur noch Ekel. Und doch braucht man nur ein wenig zu verreisen, und die ganzen Auseinandersetzungen hier kommen einem vor wie ein Sturm im Wasserglas.
Germany's next topmodel
Was ist dein größter Wunsch? Die Frage ist verräterisch. Mit der Antwort offenbart man den Entwurf des eigenen Ichs. Man erklärt, was im eigenen Leben den höchsten Wert darstellt. Und meist ist man nicht Individualist genug um zu denken, daß die eigenen Ziele nicht auch von einem großen Teil der Menschheit geteilt werden sollten. Wer sich eine glückliche Ehe oder Reichtum wünscht, denkt gewiß, daß auch andere danach streben sollten. So erlauben die Wünsche, die man hegt, Rückschlüsse auf das Menschenbild. Schon deshalb wecken Antworten wie „Porsche“, „beim Triathlon mitmachen“, „wieder in Größe 36 passen“, „F-Körbchen“ oder „ohne Ende Burger essen können“ verdientes Mißtrauen.
Wünsche ändern sich. Im Leben vieler Mädchen gibt es eine Zeit, in der es ihr größter Wunsch ist, Popstar oder Topmodel zu werden. Mit 13 wäre ich auch gerne Model geworden. Aber damals war das Leben eines Supermodels noch eine Verheißung. Es war die Zeit von Naomi Campbell, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Christy Turlington. Diese fünf standen nur eine Stufe unter einer Diva, waren geheimnisumwittert, hatten eine Aura der Unerreichbarkeit und beinahe der Zeitenthobenheit, und wenn sie sich exzentrisch zeigten, war dies um so faszinierender. Genauso werden zu wollen - von der Welt und den Männern angebetet, schön, erfolgreich und ganz man selbst - für Teenager mit ihrem alterstypischen Narzißmus ein angemessenes Ziel.
Doch dann kam Heidi. Niemand käme auf die Idee, Heidi Klum als Diva zu bezeichnen. Sie hat ihren Beruf mit dem Ethos einer übereifrigen Sekretärin ausgeübt. Stets diszipliniert, übertrieben korrekt, fleißig, den Wünschen ihres Auftraggebers willenlos ergeben, ihr Soll immer übererfüllend. Sie hat es so weit getrieben, daß sie heute - mit knapp 38 Jahren - schon Züge einer komischen Alten entwickelt: Noch ist sie schön, aber das Schrille und Affektierte in ihrer Stimme, ihrer Gestik und ihrem Auftreten erinnert an Frauen, die sich viele Jahre nichts gegönnt haben, vor allem kein Glück und keine Pflichtvergessenheit. Heidi Klum hat die Figur des Supermodels entzaubert. Danach war alles Business-as-usual.
Ihr Erfolgsrezept machte sie zu einem Geschäftsmodell, und so entstand „Germany‘s next Topmodel“. Es ist nicht so, daß sie den Mädchen, die sich bei ihr bewerben, falsche Versprechungen machen würde. Die Nachwuchsmodels lernen, daß sie sich in High Heels, die nicht passen, die Füße blutig laufen und dabei lächeln müssen wie in einem bösen Märchen, ihre Bedürfnisse, ihre Beziehungen, Freundschaften, Gefühle und Erkältungen ignorieren, stets überzeugen, lächeln, willenlos gehorchen müssen, und als Belohnung winken noch nicht einmal Ruhm und viel Geld, sondern ein Job als C&A-Model.
Als ich mit 13 Supermodel werden wollte, war das etwas Ähnliches wie eine Prinzessin. Doch damals gab es noch kein Internet und viel mehr Geheimnisse. Und zum Glück gab es nicht die Möglichkeit, seine Wünsche an solche Retortenshows zu vergeuden. Keines der Mädchen, die sich bei Heidi Klum bewerben, kann noch ernsthaft der Illusion anhängen, ein Leben als Fotomodell sei groß und bewundernswert. Was also treibt diese Mädchen an? Wie traurig muß eine Jugend sein, wenn das ein Wunschtraum ist? Da ist doch sogar ein Bachelor in Betriebswirtschaftslehre glamouröser. Nein, ich verstehe es nicht.
Wünsche ändern sich. Im Leben vieler Mädchen gibt es eine Zeit, in der es ihr größter Wunsch ist, Popstar oder Topmodel zu werden. Mit 13 wäre ich auch gerne Model geworden. Aber damals war das Leben eines Supermodels noch eine Verheißung. Es war die Zeit von Naomi Campbell, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Christy Turlington. Diese fünf standen nur eine Stufe unter einer Diva, waren geheimnisumwittert, hatten eine Aura der Unerreichbarkeit und beinahe der Zeitenthobenheit, und wenn sie sich exzentrisch zeigten, war dies um so faszinierender. Genauso werden zu wollen - von der Welt und den Männern angebetet, schön, erfolgreich und ganz man selbst - für Teenager mit ihrem alterstypischen Narzißmus ein angemessenes Ziel.
Doch dann kam Heidi. Niemand käme auf die Idee, Heidi Klum als Diva zu bezeichnen. Sie hat ihren Beruf mit dem Ethos einer übereifrigen Sekretärin ausgeübt. Stets diszipliniert, übertrieben korrekt, fleißig, den Wünschen ihres Auftraggebers willenlos ergeben, ihr Soll immer übererfüllend. Sie hat es so weit getrieben, daß sie heute - mit knapp 38 Jahren - schon Züge einer komischen Alten entwickelt: Noch ist sie schön, aber das Schrille und Affektierte in ihrer Stimme, ihrer Gestik und ihrem Auftreten erinnert an Frauen, die sich viele Jahre nichts gegönnt haben, vor allem kein Glück und keine Pflichtvergessenheit. Heidi Klum hat die Figur des Supermodels entzaubert. Danach war alles Business-as-usual.
Ihr Erfolgsrezept machte sie zu einem Geschäftsmodell, und so entstand „Germany‘s next Topmodel“. Es ist nicht so, daß sie den Mädchen, die sich bei ihr bewerben, falsche Versprechungen machen würde. Die Nachwuchsmodels lernen, daß sie sich in High Heels, die nicht passen, die Füße blutig laufen und dabei lächeln müssen wie in einem bösen Märchen, ihre Bedürfnisse, ihre Beziehungen, Freundschaften, Gefühle und Erkältungen ignorieren, stets überzeugen, lächeln, willenlos gehorchen müssen, und als Belohnung winken noch nicht einmal Ruhm und viel Geld, sondern ein Job als C&A-Model.
Als ich mit 13 Supermodel werden wollte, war das etwas Ähnliches wie eine Prinzessin. Doch damals gab es noch kein Internet und viel mehr Geheimnisse. Und zum Glück gab es nicht die Möglichkeit, seine Wünsche an solche Retortenshows zu vergeuden. Keines der Mädchen, die sich bei Heidi Klum bewerben, kann noch ernsthaft der Illusion anhängen, ein Leben als Fotomodell sei groß und bewundernswert. Was also treibt diese Mädchen an? Wie traurig muß eine Jugend sein, wenn das ein Wunschtraum ist? Da ist doch sogar ein Bachelor in Betriebswirtschaftslehre glamouröser. Nein, ich verstehe es nicht.
Sonntag, 23. Januar 2011
Jubiläum
Zehnjahresfeier der Firma, in der ich arbeite. Der Chef und Gründer blickt auf die Anfänge zurück, natürlich nicht ohne Stolz. Er erinnert sich, wieviele schlaflose Nächte ihn das Wagnis gekostet hat, wieviele Schulden er machte, wie oft er nicht wußte, wie es weitergehen sollte. Aber er hat an seinem Traum, wie es in diesen Fällen so oft heißt, festgehalten. Mittlerweile arbeiten in dem einstigen Zwei-Mann-Betrieb fast 40 Leute.
Ungefähr so müßte wohl auch ein Christenleben aussehen. Etwas wagen! Nur daß unser Traum kein Unternehmen ist, sondern Gott.
Ungefähr so müßte wohl auch ein Christenleben aussehen. Etwas wagen! Nur daß unser Traum kein Unternehmen ist, sondern Gott.
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