Sonntag, 20. Juni 2010

Hingabe

In seinem Buch über „The Jesuits in North America“ schreibt der amerikanische Historiker Francis Parkman:

„Pater Noël Chabanel kam später in die Mission, da er erst 1643 im Huronenland eintraf. Er verabscheute die Lebensweise der Indianer – den Rauch, das Ungeziefer, die eklige Nahrung, die Unmöglichkeit, sich zurückzuziehen. An ihren rauchenden Holzfeuern, umgeben von lärmenden Männern und Squaws mit ihren Hunden und den unablässig kreischenden Kindern, konnte er sich nicht konzentrieren. Er hatte von Natur aus nicht die Gabe, ihre Sprache zu erlernen, und mühte sich fünf Jahre ohne nennenswerte Fortschritte mit ihr ab. Da flüsterte ihm der Teufel ins Ohr, er möge um Ablösung von dieser tristen, widerwärtigen Mühsal bitten und nach Frankreich zurückkehren, wo ihn eine ihm gemäße und nützliche Arbeit erwarte. Chabanel wollte davon nichts hören, und als die Versuchung ihn weiter plagte, tat er ein feierliches Gelübde, bis zu seinem Todestag in Kanada zu bleiben.“

Die Weltmission der Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert hat mich schon immer fasziniert. In einer Ausstellung in der Bibliothek des Mainzer Priesterseminars habe ich vor Jahren einen großformatigen Kupferstich gesehen, der mir im Gedächtnis geblieben ist. Er zeigte den heiligen Franz Xaver inmitten einer figurenreichen, dramatischen Szenerie, wie er sich über einen Kranken beugt – und ihm die Pestbeulen küßt. Vielleicht war es ein solches Bild, das der Laienbruder Nicolaus Obracht aus Ingolstadt vor Augen hatte, als er 1720 an den Ordensgeneral nach Rom schrieb: „Ich habe mich aus anblick einer bildnuß des h. Xaverii, da ich noch weltlich war, entschlosen und gesprochen: Wo diser gestorben will ich auch sterben. Und darüber mit solchem himlichen trost übergoßen worden, daß ich fast nit mächtig war die Zeher [Tränen] zu verhalten.“

Ich muss gestehen, dass mich solche Zeugnisse noch immer sehr beeindrucken – als Audruck einer Liebe und Hingabe, die, so glaubte ich lange, wir heutigen Christen nicht mehr besitzen. Aber das stimmt nicht: Pater Luigi Padovese, der ermordete Bischof von Iskenderun, hat mich eines Besseren belehrt. Er war ein Gelehrter, Kenner der Kirchenväter und der Geschichte der frühen Kirche. Doch seine Professur in Rom, eine ihm gemäße und nützliche Arbeit, gab er auf, um nach Iskenderun zu gehen, in den äußersten Südosten Anatoliens. Er wollte lieber eine kleine christliche Gemeinde inmitten einer feindlichen Umgebung betreuen. Er hat sich für die Armen, auch die anderen Glaubens, eingesetzt. Und er hat sein Glaubenszeugnis mit einem furchbaren Tod besiegelt.

Hat er uns moderne Skeptiker damit nicht zutiefst beschämt? Ich glaube, wir sind Pater Luigi Padovese großen Dank schuldig. Er hat uns gezeigt, wieviel Glaube, Liebe und Hoffnung auch heute, im materialistischen, wohlstandverwöhnten Europa, noch in der Kirche leben. Und das ist doch, obwohl sein Tod so schrecklich war, ein Grund zur Hoffnung.

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