Samstag, 29. August 2009

Von der Orthodoxie lernen

"Anstatt über die Existenz Gottes zu grübeln, hätten Sie versuchen müssen, Ihn anzurufen. [...] Rufen Sie Gott mit kurzen Sätzen an: Herr, hilf mir. Herr, errette mich. Herr, offenbare Dich mir. Das genügt schon. Über kurz oder lang werden Sie eine Antwort bekommen."
(Leonore Schumacher: Die Stadt im Feuer. Nachdenken über Rußland, Stein am Rhein: Christiana 1989, S. 137)

Mit diesen Worten eröffnete ein orthodoxer Geistlicher einem sowjetischen Offizier, der in einem Kriegsgefangenenlager interniert war, den Weg zum Glauben. Von diesem Vorfall berichtet Leonore Schumacher in ihrem Buch Die Stadt im Feuer, einer Geschichte Rußlands und vor allem der orthodoxen Kirche, die angereichert ist mit Anekdoten, Heiligenviten und Porträts. Eine gelungene Zusammenstellung, die dem Außenstehenden einen Eindruck von der Tiefe dieser Tradition vermittelt, aber auch von ihrer Andersartigkeit.

Das Zitat oben hat mich berührt. Es erinnert mich an den Weg meiner Bekehrung. Am Anfang stand die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Lehre der Kirche, die mich zu dem Ergebnis führte, daß mein vormaliger Atheismus ziemlich borniert war. Doch das reichte nicht. Um zum Glauben zu finden, war etwas anderes wichtig: beten, betrachten, Ihn anrufen. Immer wieder.

P.S.: Die orthodoxe Kirche hat auch ziemlich gute Heilige. Der heilige Starez Seraphim von Sarow (1759-1833) kniete z.B. 1000 Tage mit erhobenen Händen auf einem Stein.

5 Kommentare:

  1. Obwohl wahrlich kein Kenner, habe ich eine große Sympathie für die Orthodoxe Kirche (vor allem wenn ich gelegentlich mit dem "römischen Juridismus" hadere - sehr schön ist auch der Rubljow-Film von Tarkowskij und "Die aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers" (oder so ähnlich der Titel).

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  2. Oh ja, der russische Pilger. Wird ja auch in "Franny und Zooey" erwähnt - sonst hätte ich das Buch vielleicht gar nicht entdeckt. Über die Orthodoxie würde ich gerne mehr erfahren. Es soll ja auch einige birituelle Klöster (lateinisch/byzantinisch) geben. Wäre sicher ein schönes Ausflugsziel.

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  3. Ja, in Niederalttaich (Benediktiner); wollte ich immer mal hin, bislang nie geschafft. Da lebt ja auch Emmanuel Jungclaussen, der das Herzensgebet hier bekannt gemacht hat.

    Holden Caulfield

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  4. Nun ja, unser Westen krankt manchmal daran, daß er zu sehr verkopft ist. Daher konnte so etwas wie die Reformation auch nur bei uns entstehen.

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  5. "Der heilige Starez Seraphim von Sarow (1759-1833) kniete z.B. 1000 Tage mit erhobenen Händen auf einem Stein."
    Im Deutschland des 21. Jahrhunderts würde er wahrscheinlich in die Psychiatrie eingewiesen. Das versteht man unter den Freiheitsspielräumen und Autonomiegewinnen, die die säkulare Moderne uns gebracht hat.

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