Montag, 9. Mai 2011

Singles sind keine Hedonisten

Wenn ich die Wörter Singles und Hedonismus in einem Satz höre, bin ich mittlerweile ziemlich genervt. In sehr frommen Kreisen wird gerne folgende Gleichung aufgemacht: Wer Single ist, führt ein hedonistisches Leben, kreist um sich selbst und denkt nur an Spaß. Familie und Kinderreichtum stehen dagegen für Altruismus. So einfach ist es natürlich nicht. Aber manche denken es wirklich. Auf einem wirklich sehr, sehr frommen Kongreß lernte ich mal einen Mann kennen, der seit Jahren verzweifelt auf der Suche nach einer Partnerin war und sich damit quälte, daß er seinem Schöpfungsauftrag nicht nachkam. Dieser arme Kerl dachte tatsächlich, mit den Singles, die nur ihren Spaß suchen, sei er gemeint. Natürlich ist Derartiges nicht Lehre der Kirche, aber man sollte sich hüten, sowas auch nur anzudeuten, und sei es aus Gründen der Vereinfachung.

Aber wo sind sie eigentlich, die hedonistischen Singles? Selbst Frauenzeitschriften vermitteln da heute ein differenzierteres Bild. Und die Singles, die ich kenne, sind oft religiös oder auf der Suche nach Sinn und Lebensorientierung, vielseitig interessiert, gerne bereit, ein Ehrenamt zu übernehmen, manche glücklich, manche unglücklich, manche zufrieden, manche enttäuscht. Wenn sie sich einen Platz in der Kirche wünschen, dann soll es nicht wie ein Trostpreis aussehen, und sie wollen auch keinen Akt der Barmherzigkeit. Sie wollen außerdem nicht mit der geistlosen Vorstellung konfrontiert werden, jeder, der keinen Partner finde, habe eine religiöse Berufung. (Erinnert sich eigentlich noch einer an die Zeiten, als es den Lehrerinnenzölibat gab?) Gewiß: Nur in den westlichen Gesellschaften, die als materialistisch und konsumorientiert gelten, gibt es einen so hohen Prozentsatz an Singles. Doch der Grund für das Alleinsein ist in der Regel nicht der Wunsch nach einem hedonistischen Leben: Die inneren und äußeren Zwänge, eine Ehe einzugehen, verlieren an Wirkkraft, und die Ansprüche an den möglichen Partner sind gestiegen. Was nicht unbedingt negativ sein muß: ein bewußtes und erfülltes Leben allein ist allemal besser als eine unglückliche Ehe, die zu einem Gefängnis werden kann.

Eine evangelische Freundin, ebenfalls ohne Partner, sagte mir mal, wir hätten es da doch einfacher. Weil die katholische Kirche den Zölibat kennt. Sie ist in ihrer Gemeinde im Kirchenvorstand, als Einzige unverheiratet und stört sich daran, daß manche ihr mit einem vorsichtigen Mitleid begegnen. Doch Mitleid ist nicht angebracht: Viel besser wäre es für die Kirchen, die Singles stärker an sich zu binden. Mit ihren besonderen Fähigkeiten und Bedürfnissen und den Fragen, die sie an den Glauben richten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.