Samstag, 23. April 2011

Dumm tanzt gut

Die Grüne Jugend hat gestern, am Karfreitag, auf dem Römerplatz in Frankfurt einen Flashmob organisiert:  Tanzen gegen die Karfreitagsruhe. Es wundert mich nicht. Wenn man einen Tag lang nicht Party machen darf, kommt man vielleicht ins Nachdenken, und Denken gehört nicht zu den größten Begabungen des grünen Nachwuchses. Ist ja irgendwie auch mit Arbeit verbunden.

Viel eindrücklicher als diese vor sich hin trampelnde Horde:

Die traditionelle Karfreitagsprozession der kroatischen Gemeinde, ein endlos langer Zug durch die ganze Stadt und am Mainufer entlang, an der Spitze ein Priester, der ein Kreuz trägt. Schweigen, Gebete, leise Gesänge. Dadurch wurde ein Zeichen gesetzt an einem Tag, dessen Bedeutung viele vergessen haben. Die Wiesen am Main waren voll mit Leuten, die in der Sonne lagen, tranken, den freien Tag genossen. Und dann zieht das Kreuz vorbei, gefolgt von unzähligen Menschen. Es war beeindruckender als es jede Demonstration und jeder Flashmob sein könnte.

Freitag, 22. April 2011

Salafisten in Frankfurt

Vorgestern saß ich abends mit einer Freundin im Café, in der Nähe der Hauptwache. Es wurde laut. Von Ferne hörten wir Geräusche wie aus einem Fußballstadion, Schreie, Schlachtengesänge. Je länger wir lauschten, desto deutlicher konnten wir einen Ruf heraushören: allahu akbar. Ich hatte gedacht, daß die geplante Kundgebung mit Pierre Vogel, einem Ex-Boxer und Islam-Konvertiten, von der Stadt verboten worden war. Pierre Vogel gehört zu den Salafisten, einer extremistischen und gefährlichen Ausprägung des Islam. Später erfuhr ich, daß das hessische Verwaltungsgericht das Verbot gekippt hatte. Der fanatische Prediger und seine Anhängerschaft durften sich auf dem Roßmarkt versammeln.

Nach dem Essen wollten wir schauen, was in Frankfurt los war. Überall in den Straßen waren Polizeiautos. Als wir am Roßmarkt ankamen, hatte sich die Versammlung schon weitgehend aufgelöst. Dennoch bot sich auf dem Platz ein Bild, das mit der Modernität der hessischen Bankenstadt merkwürdig kontrastierte: Gruppen von Frauen im Tschador, die uns böse Blicke zuwarfen, bärtige Männer in weißen Gewändern. Es lag Aggressivität in der Luft. Die Menschen, die Frauen in Schwarz wirkten uniformiert, und mir kam der Gedanke, daß der Islam die Religion der Massengesellschaft ist. So wie das Christentum die Religion des bürgerlichen Individuums war, das mehr und mehr durch den Massenmenschen verdrängt wird. Dem Massenmenschen, gesteuert durch die Massenmedien und die Konsumbedürfnisse, die ihm immer wieder neu eingeflüstert werden, sind individualisierende Glaubenspraktiken wie das persönliche Gebet zu einem ihn liebenden Gott fremd. Auch der Islam kennt Derartiges nicht, er kennt nur eine ferne, unnahbare, unberechenbare Gottheit, dem sich alle zu unterwerfen haben, ohne Unterschied. Dieses in den schwarzen Tschador gehüllte Kollektiv ist die religiöse Gestalt der Massengesellschaft.

So gehört die Gefolgschaft des Ex-Boxers natürlich nicht dem untergehenden Bildungsbürgertum an. Später sagte ein Mann in einem Fernseh-Interview, unter den Zuhörern seien Hunderte Kriminelle gewesen, die durch den Islam zu anständigen Menschen geworden seien. Eine ältere Frau, die mit einem Schild allein in einer Ecke stand, noch lange nachdem sich die Gegendemonstration aufgelöst hatte, wurde von mehreren muslimischen Männern aggressiv angegangen. "Menschenrechte statt Scharia" stand auf ihrem Schild, eine Provokation für die Moslems. Die Frau bewies einen Mut, für den ich sie bewunderte. Ebenso ein junger Mann, ein Kroate?, der mit einem Rosenkranz in der Hand mitten auf dem Platz stand. Als ein bärtiger Mann ihm einen Flyer geben wollte, hielt er ihm den Rosenkranz entgegen, deutete auf den Flyer und sagte, sehr ruhig und gelassen: "Das brauche ich nicht."

Und mit diesem Satz machte er deutlich, woran es uns mangelt und was uns helfen könnte, die Ausbreitung des Islam in Deutschland zu verhindern: Mut und Überzeugung. Der Islam hätte keine Chance, wenn es mehr überzeugte Christen gäbe. Christen, die ihren Glauben nicht relativieren, sondern ihn weitergeben wollen. In dem Wissen, daß der Herr jeden retten will. Manchmal denke ich: Die Muslime wurden hierher geschickt, damit sie das Christentum kennenlernen können. Wir versagen und nehmen ihnen die Chance, Christus, der für uns heute am Karfreitag sein Blut vergossen hat, als ihren Erlöser anzunehmen.

Und die deutsche Gesellschaft glaubt immer noch, sie könnte den Islam mit den Verlockungen des Säkularismus neutralisieren. Doch wer gibt schon eine Religion für das Nichts auf?

Sonntag, 17. April 2011

Sünde und Arbeit

Ich erinnere mich an einen Professor aus meinen Studienzeiten, einen Alt-68er, der mit triumphalistischem Gesichtsausdruck zu sagen pflegte, die Sünde sei heute abgeschafft. Was er damit ausdrücken wollte, war lediglich, daß er den Bedeutungsverlust der Religion gut fand und sich darüber freute, daß überall mit großer Offenheit über Sex gesprochen wird. Natürlich ist die Sünde nicht abgeschafft, das braucht man religiösen Menschen nicht zu erklären. Den Anderen mag das Wort "Sünde" wie ein Erinnerungsstück aus einer untergegangenen Welt erscheinen - doch auch sie kennen Schuld, Scham und die Angst, daß böse Taten offengelegt werden. 

Die Vorstellung von Sünde als Verstoß gegen Gottes Gebote wird jedoch in säkularen Gesellschaften durch andere ersetzt. Man kommt ihnen auf die Spur, wenn man sich fragt, was das größte Tabu ist. Man darf heute über alles Mögliche in größter Offenheit reden, doch eines behält man besser für sich: berufliches Scheitern. Denn der Beruf ist wichtig, sogar entscheidend für das Selbstbild. Man arbeitet nicht nur für den Lebensunterhalt, viele andere Vorstellungen sind daran geknüpft: Erfolg hat, wer Karriere macht und gut verdient. Man braucht den richtigen Beruf, um sich selbst zu verwirklichen.  Seine Fähigkeiten hat man bekommen, um sie im Beruf einzusetzen. Man muß immer wieder seine Ziele neu definieren, weiter vom Aufstieg träumen, vom nächsten Karriereschritt, und nie ist man irgendwo angekommen. Das alles ist selbstverständlich, die meisten haben es verinnerlicht. Ein preußisches Arbeitsethos hat die Seelen in Besitz genommen, auch an mir selbst merke ich das oft genug. Mir ist die Vorstellung nicht fremd, ich könnte, wenn ich über mein Leben Rechenschaft ablegen soll, vor allem nach beruflichen Fehlentscheidungen gefragt werden. Warum diese vollkommen unnütze Doktorarbeit, die mich nicht weitergebracht hat? (Sie wäre verzichtbar gewesen, aber das wußte ich erst später.) Warum nicht stattdessen ein Volontariat in einer angesagten Werbeagentur? Ich wäre heute wahrscheinlich irgendwo Creative Director, und da ich das nicht bin, kommt es mir erstrebenswert vor. 

Der Erfolgsdruck ruft natürlich Gegenbewegungen hervor. Wenn es mit dem Beruf nicht klappt, reagiert man wie ein ertappter Sünder. Entweder mit einem verzweifelten "Ich war's nicht!" oder mit: "Da sind andere dran schuld." Der Staat, die Gesellschaft und so weiter. Da es nicht leicht ist, Karriere zu machen, und die Arbeitswelt härter geworden ist, braucht man sich nicht darüber zu wundern, daß soviele Menschen Zuflucht bei den Linken suchen. Denn dort wird ihnen genau das gesagt: Daß sie für ihr Scheitern nicht selbst verantwortlich sind, sondern daß es immer die anderen sind, die Umstände, das ungerechte System. Vielleicht ist es der Reiz linken Denkens, daß es auf diese Weise eine Art von Absolution verspricht. Aber wirklich befreiend ist das nicht.