Freitag, 11. September 2009

Knien und Stehen

Vor kurzem wurde ich in eine Diskussion über das Knien verwickelt. Während die einen das Knien ablehnten, weil es „ja nur auf die innere Haltung“ ankäme, beharrten die anderen mit einer gewissen Erbitterung darauf, daß „mündige Christinnen und Christen“ solche „anachronistischen Unterwerfungsgesten“ nicht nötig hätten und sich doch besser als „gleichberechtigte TeilnehmerInnen“ im „gesamtgesellschaftlichen Diskurs“ „einbringen“ sollten. Und zwar im Stehen. Und so weiter. Natürlich ging es wieder nur um „Machtverhältnisse“, die „ungerecht“ sind und geändert werden müssen, und zwar zugunsten dessen, der sie kritisiert.

Das übliche Gequassel also und die übliche Vermischung von Glauben und Politik. Doch dann nahm das Gespräch eine unerwartete Wendung – man kann auch sagen: glitt es vollkommen ins Närrische ab. Denn nachdem irgendjemand darauf hingewiesen hatte, daß der Kniefall in der Messe ein Überbleibsel des spätantiken Hofzeremoniells sei, empörte man sich kollektiv darüber, daß die Kirche ja ohnehin ziemlich viel aus dem Sprachgebrauch der Monarchie übernommen habe und sich dadurch selbst entlarve: Denn darin artikulierten sich, so meinte man, überkommene und heute vollkommen untragbare Vorstellungen von Herrschaft! Es sei ja schon symptomatisch, daß Christus immer als König, aber nie als Präsident bezeichnet wird. (Doch, das war ernst gemeint!) Einer der Schlaumeier fand schließlich eine Lösung: Dann müsse man die Texte halt alle demokratisch umschreiben.

Gerade weil das alles so absurd klingt, ist es entlarvend. Es führt direkt zum Kern des Problems: Wer nicht anerkennen will, daß Christus sein König ist, möchte logischerweise auch nicht vor ihm niederknien. Richtig, K-Ö-N-I-G! Nicht Präsident oder Kanzler, nicht nach ein paar Jahren abwählbar und auch nicht durch Stimmenmehrheit ins Amt gekommen. Er hat uns erwählt, nicht wir ihn. Da gibt es nichts zu relativieren. Und ein wirklich mündiger Christ sollte wissen, wo seine Grenzen sind. Er sollte wissen, daß er sich seinen Erlöser nicht selbst gewählt hat und sich nicht selbst retten kann. Und daß er vor seinem Retter, Herrn, Richter, Erlöser und Geliebten niederknien darf. Ihn verehren und sich hingeben darf. Und sich keine Gedanken machen muß, daß ihm dabei ein Zacken aus der Krone bricht. Denn der König hat sich hinabgebeugt, sich klein gemacht, um uns zu retten. Sich erniedrigt, um uns zu sich hinaufzuziehen. Ich will mich gerne vor dieser Liebe klein machen, die mich so groß gemacht hat. Das ist ein Ausdruck von Freiheit, nicht von Unterwerfung. Und das Niederknien ist ja durchaus biblisch bezeugt. Der geheilte Blinde war nur einer von vielen, die sich vor Ihm niederwarfen, als sie in Ihm den Menschensohn erkannten. Wer könnte in einem solchen Moment der Überwältigung schon stehenbleiben?

Noch eine kleine Geschichte: Vor einiger Zeit war ich in einer Anbetungsstunde in einer Art „Meditationsraum“, mit Teppich und Stuhlkreis. Als Altar diente ein ziemlich niedriger Tisch, nicht höher als ein Couchtisch. Die (schmucklose Holz-) Monstranz stand auf diesem Tisch in der Mitte. Die meisten lümmelten bequem auf ihren Stühlen drumherum und blickten auf IHN herab. Die Atmosphäre in dem Raum war nicht sehr andächtig: keine Stille, keine Sammlung, Flüstern, Stuhlgerücke und Geraschel. Deutlich zeigte sich: Die äußere Haltung ist eben nicht egal. Denn sie spiegelt die innere Haltung nicht nur wieder, sondern formt sie auch. Und wer vor dem Herrn sitzenbleibt, erweist ihm letztlich weniger Respekt als einem demokratisch gewählten Präsidenten oder selbst der Kanzlerin: Vor denen würde man nämlich stehen.


P.S.: Natürlich ist auch das Stehen eine Gebetshaltung. Und ich weiß auch, daß die frühen Christen bei der Feier der Liturgie standen. Doch wer nimmt das Stehen heute schon noch als Ausdruck von Ehrfurcht und Andacht wahr? Ist es nicht eher, und das im besten Falle, Zeichen des Respekts und der Höflichkeit? Zweifellos wirkt das Stehen heute weniger ehrfürchtig als das Knien. Und gerade das demonstrative Stehenbleiben bei der Wandlung kann, im schlimmsten Fall, etwas ganz Anderes signalisieren als Ehrfurcht: nämlich Distanz, bewußtes Abstandnehmen. Es kann sich darin ausdrücken, daß der Glaube an die Gegenwart Christi in der Eucharistie verschwunden ist.