Freitag, 5. Juni 2009

Schön gesagt

"Und ein Gebildeter ist wie eine unschuldige Wiese, auf der irgend jemand große schmutzige Zeitungsblätter auseinandergestreut hat...Kein hübscher Anblick... und verhungern muß man auch dabei..."
(Franz Werfel, Der veruntreute Himmel, S. 179)

Man muß zwar nicht zustimmen. Zumal Werfel diese Sätze einem Betrüger in den Mund gelegt hat. Aber die Metapher ist trotzdem schön.

Ewige Verlierer. Jan Fleischhauer: „Unter Linken“

Erinnerungen sind oft schwarzweiß. Die Schattierungen und Übergänge verschwinden, die großen Gegensätze prallen aufeinander. Erinnerung kann ein großer Vereinfacher sein. So geht's mir auch mit meiner Schulzeit: Im Rückblick sehe ich unter meinen Lehrern geborene Pädagogen, durchdrungen vom Eros ihres Fachs, die graue Masse der Mittelmäßigen (aber die zählen hier nicht) und – Karikaturen. Zu Karikaturen erstarren in meiner Erinnerung vor allem jene Lehrer, die damals ihre linke Gesinnung wie ein Banner vor sich hergetragen haben.

Ich erinnere mich an einen Musiklehrer, der nie das Wort „deutsch“ benutzte, sondern immer „bundesrepublikanisch“ sagte. Wir Sechstklässler mußten unsere Hefte vollschreiben mit seinen Auslassungen über die „bundesrepublikanischen“ Verhältnisse (die schlimm waren). Oder eine Deutschlehrerin, die für die DDR schwärmte (und später von der Wiedervereinigung kalt erwischt wurde), im Unterricht Günther Wallraff besprach und uns verbot, Coca-Cola-Dosen mit auf den Wandertag zu nehmen - ob wegen der Umwelt, Amerika oder wegen beidem weiß ich nicht mehr.

Sie kamen mir nie glaubwürdig vor, diese verbeamteten Staatsdiener, die sich für Non-Konformisten oder Revolutionäre hielten. Kinder und Jugendliche haben ein feines Gespür für Lügen, Lebenslügen zumal. In Jan Fleischhauers Buch „Unter Linken. Von Einem, der aus Versehen konservativ wurde“ findet sich eine scharfe Charakterisierung dieses Typus, der im linken Milieu so oft anzutreffen ist:


Nur Linke bringen es fertig, sich als Goldhamster des Systems einzurichten und beim gemächlichen Drehen des Laufrads allen Ernstes Referate darüber zu halten, wie man gerade die Verhältnisse zum Tanzen bringe. Das Verrückte dabei ist: Sie kommen damit durch. Niemand lacht laut auf, wenn der Subventionskünstler Claus Peymann, seit 40 Jahren eine der fidelsten Betriebsnudeln des deutschen Staatstheaters, davon spricht, „Reißzahn im Arsch der Mächtigen“ sein zu wollen. Noch die absurdeste Finanzforderung des Intendanten des Berliner Ensembles geht als Machtprobe durch, jede Budgetüberziehung gilt bei den wohlmeinenden Geistern im Feuilleton als Widerstandsakt.“ (139f.)


Das Schöne an dem Buch ist, daß man so vieles wiedererkennt. Aufgewachsen unter Linken – wer ist das nicht? Als Spiegel-Redakteur kennt Jan Fleischhauer das Milieu gut, das er boshaft, treffend und unterhaltsam porträtiert. So erzählt er die Geschichte der Linken einerseits als Geschichte eines Sieges: Sie haben den Bildungsbereich erobert, den Kulturbetrieb, die Medien und die staatlichen Subventionstöpfe. Sie bilden heute das juste milieu, leben gut und bequem, immer in der Illusion, sich im Kampf für die gute Sache aufzureiben.


Doch zugleich erzählt Fleischhauer ihre Geschichte als Geschichte des Scheiterns: Der Sozialismus „vermag nicht eines seiner Versprechen zu halten, tatsächlich ist es noch jedes Mal gründlich schief gegangen, wenn seine Befürworter sich anschickten, die kühnen Ideen in die Tat umzusetzen. Wo sein Reich kommt, meist mit vorgehaltener Pistole, liegt am Ende alles am Boden, die Wirtschaft, die Kultur, die Umwelt.“ Ausgehend von dieser Beobachtung hat der Autor, der aus einer linksintellektuellen Familie stammt, das Lager gewechselt.


Trotz aller Irrtümer werden Linken immer die besten Absichten zugebilligt. Aber warum scheitern sie eigentlich? Weil sie, im Gegensatz zu Konservativen, nicht mit der Schwäche der Menschen rechnen. Weil ihr Verhältnis zur Wirklichkeit von Unkenntnis und Verachtung geprägt ist. Sie glauben stattdessen an die Perfektibilität der menschlichen Natur und an die Möglichkeit, den Himmel schon auf Erden zu verwirklichen. Und an die Unbegrenztheit ihrer eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Fleischhauer zeigt, daß die Experimente der Linken oft eine große Zerstörungskraft entfesselten. Die Französische Revolution, „der erste Großversuch, das Paradies auf Erden zu begründen“ (S. 80), endete im Terror. Und der Terror ist, so Fleischhauer, „der steinerne Gast jeder Veranstaltung zur Hebung des Menschenglücks“ (S. 76).



Fatale Entwicklungen auch in anderen Bereichen. So führte die Dominanz der Linken im Bildungswesen jüngst zum Pisa-Schock:
Ziemlich genau eine Generation nachdem sich die Bildungsreformer in Deutschland daranmachten, das von Humboldt ersonnene Bildungssystem gründlich zu überholen, gilt das Land als bildungspolitischer Sanierungsfall. 40 Jahre bundesdeutsche Bildungsreform haben ausgereicht, die vielbewunderte deutsch Schule so herunterzuwirtschaften, dass sie heute im internationalen Leistungsvergleich irgendwo zwischen Liechtenstein und Mexiko liegt.“ (S. 108)

Der Erfolg des Buchs beweist, daß Jan Fleischhauer den richtigen Zeitpunkt gewählt hat. Man fühlt sich an das Kind erinnert, das darauf hinwies, daß der Kaiser nackt ist, woraufhin alle aufatmeten. Einige Rezensenten scheinen jedoch zu befürchten, daß die linke Deutungshoheit zu wackeln beginnt. Ein kluger Schachzug des linksliberalen Feuilletons wäre es gewesen, durch wohlwollende Besprechungen Fleischhauers These von der linken Dominanz in den Medien zu falsifizieren. FAZ-Redakteurin Julia Encke klingt hingegen beleidigt.


Apropos Beleidigtsein: Das gehört freilich wie Betroffenheit, Dauerempörung und dem ewigen „wütend und traurig“ zu den Grundelementen linker Gefühlskultur. Und ist nicht unbedingt die typische Attitüde eines Gewinners.


Nett auch die Seite zum Buch.


Und hier noch ein Zitat zur Katholizismus: "[...] er erweist sich sogar als erstaunlich zählebig, wohl auch, weil er weniger anschlussfähig war für moderne Erlösungserwartungen. Die katholische Kirche ist nicht ohne politischen Anspruch, ihre Soziallehre hat sogar einen bedeutenden Beitrag bei Aufbau des deutschen Sozialstaats geleistet. Aber ihr Anspruch war immer auf Erleichterung des menschlichen Schicksals gerichtet, nie auf Besserung der menschlichen Natur oder gar deren Vervollkommnung. Der Katholik hält fest an der Trennung zwischen Diesseits und Jenseits. Er weiß, daß das Paradies nicht von dieser Welt ist, auch nicht sein kann, das macht ihn ausgesprochen utopieresistent.“ (71f.)

Sonntag, 31. Mai 2009

Pfingsten

Vergleich der hl. Dreifaltigkeit mit der Sonne
"Gott Vater ist der Leib und Gott, der Sohn, das Licht;
Die Strahln der heilge Geist, der beiden ist verpflicht."
Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann (1657)