Die sieben Trappisten aus dem Kloster „Notre Dame de l'Atlas“ in Algerien sind heute weltberühmt. Im März 1996 wurden sie – während des algerischen Bürgerkrieges - unter ungeklärten Umständen entführt und zwei Monate später ermordet aufgefunden. Das heißt, aufgefunden wurden nur ihre abgetrennten Köpfe.
Sie hatten sich der Aufforderung islamistischer Terroristen, das Land zu verlassen, nicht gefügt, weil sie bei den Menschen bleiben wollten, mit denen sie bislang gelebt hatten: einfachen muslimischen Dorfbewohnern in der Nachbarschaft ihres Klosters. Bis dahin hatte kaum jemand von den sieben Mönchen Notiz genommen. Heute gelten sie als Vorbilder für den sogenannten „christlich-islamischen Dialog“. Spätestens seit dem französischen Kinofilm „Von Menschen und Göttern“ aus dem Jahr 2010 sind sie international bekannt.
Der Film zeigt zu Beginn eine Szene, in der die Mönche an einem islamischen Fest der Dorfbewohner teilnehmen. Das ist wahrscheinlich nicht erfunden, denn die Mönche wollten tatsächlich am Leben der Muslime teilhaben und auch auf den Islam zugehen. In einer Reihe von Schriften hat ihr Prior, Christian de Chergé, dieses Programm dargestellt, und ein anderer der Mönche, Christoph Lebreton, hat seine Berufung in mehreren poetischen Meditationen reflektiert, die heute nach und nach veröffentlicht werden. Auch diese Texte haben zur Bekanntheit der Mönche beigetragen. Christian de Chergé hat sogar im Ramadan gefastet und wollte islamische Gebetsweisen in das Stundengebet integrieren – was allerdings vom Konvent abgelehnt wurde.
Doch Vorsicht – für die heute, auch in kirchlichen Kreisen, verbreitete Dialogseligkeit, die so gerne das Gemeinsame der abrahamitischen Religionen hervorhebt, kann man die Mönche nicht so ohne weiteres in Anspruch nehmen. Denn ihre Haltung zum Islam steht auf dem Boden eines unzweideutigen Bekenntnisses zu Christus. Als die islamistischen Terroristen zum ersten Mal das Kloster überfielen, trat ihnen der Prior entgegen und erklärte ihnen, dass heute der Heilige Abend sei und die Geburt Christi, des Friedensfürsten, gefeiert werde. Deshalb „gezieme“ sich der Überfall nicht. So unwahrscheinlich es klingt: Der Anführer akzeptierte das und zog sich mit seinen Männern zurück.
Das führt zu einem zweiten Punkt – der Bereitschaft, notfalls das eigene Leben hinzugeben. Die Mönche waren sich völlig im klaren darüber, was ihr Bleiben bedeutete, und hatten das in einem inneren Klärungsprozeß akzeptiert. Das ist für mich das wirklich Bewundernswerte an Tibhirine. Es gibt beeindruckende Zeugnisse darüber, so z. B ein Text von Christoph Lebreton: „Wie die Flamme“: „Wie die Flamme so nackt / ihre Nacht / TRAGE / dein Kreuz - / im Schweigen / GIB / dein Blut - / LIEBE bis an den äußersten Rand des / FEUERS.“
Wer von denen, die sich heute in Dialogrunden tummeln, könnte das ehrlicherweise von und für sich sagen? Doch ohne diesen Mut ist die Gefahr der Unterwürfigkeit gegenüber einem gewaltbereiten Gegner riesengroß.
Und das führt mich zu einem letzten Punkt: Die sieben Mönche waren Franzosen. Sie entschieden sich dazu, in Algerien zu bleiben, weil das ihrer perönlichen Berufung entsprach, einer Berufung, die oft mit persönlichen Erfahrungen während des Algerienkrieges der 50er/60er Jahre zu tun hatte. Sie akzeptieren ihre Wehrlosigkeit als Bedingung für ein Opfer der Liebe. In heutigen Dialogrunden geht es um etwas anderes. Es geht um die Zukunft unseres eigenen Landes und Volkes. Kann man darüber auf der Basis der Wehrlosigkeit und Feindesliebe verhandeln?
Nachtrag: Es gibt mittlerweile auch in Deutsch einige Bücher über Tibhirine. Das neueste ist: Iso Baumer: Die Mönche von Tibhirine, Verlag Neue Stadt, 2. Auflage, 2011. Es enthält auch einige Texte der Trappisten. Trotzdem kann ich es nur bedingt empfehlen. Denn es bringt auch sehr viel „Drumherum“, natürlich zum Thema Dialog, Algerien usw., das man anderswo bessser dargestellt findet. Weniger davon und mehr über die Mönche hätte mir besser gefallen.
Autor: Jacopone