Montag, 10. Mai 2010

Was im Mittelalter besser war: Wahlen

Die Wahl in NRW bestätigt wieder einmal die Krise der Demokratie. Ihr Symptom: die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Ihre Ursache: Man traut den Politikern die Lösung der Probleme nicht mehr zu. Aktuelles Beispiel ist die Rettung des Euro. Jeder vernünftige Mensch weiß, daß die Ursache seiner Schwäche der gigantische Schuldenberg ist, den die westlichen Länder zur Finanzierung ihrer Wohlfahrtsstaaten aufgetürmt haben. Doch das ist tabu. Lieber bläst man zur „Generalmobilmachung“ gegen „angelsächsische Spekulanten“, den bösen Feind, der Europa, diese Insel der Gerechtigkeit, mit finsteren Machenschaften bedroht (früher übernahm diesen Part das internationale Finanzjudentum). Unterdessen fließen weiter Millionen und Milliarden in den Ausbau von Kita-Plätzen, in die zigste Reform des Bildungswesens und andere Projekte, die den Zerfall der europäischen Gesellschaften nicht aufhalten, sondern fördern – ein politisches System demontiert sich selbst. Da mag ein Blick auf frühere Zeiten hilfreich sein. 
Womit wir endlich beim Thema wären: Denn das Mittelalter war eine wahlfreudige Epoche. Die wichtigsten Repräsentanten der Christenheit, Kaiser und Papst, verdankten ihre Ämter einer Wahl. Klöster wählten ihren Abt, Domkapitel ihren Bischof. Und auf bestimmten Ebenen, etwa den freien Reichsstädten, Zünften, Universitäten oder ähnlichen Zusammenschlüssen, gab es schon ein allgemeines Wahlrecht. Der wichtigste Unterschied zwischen mittelalterlichen und modernen Wahlen liegt wohl darin, dass die moderne Wahl ganz vom Gedanken der Mehrheitsentscheidung beherrscht wird. Das wirkt auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber nicht. Bei mittelalterlichen Wahlen konnte unter Umständen auch die Minderheit Recht haben: Nicht die Mehrheit, sondern der klügere Teil, die „sanior pars“, wie man damals sagte, sollte den Ausschlag geben. Denn es ging darum, den würdigsten Kandidaten für ein Amt herauszufinden: denjenigen, den Gott dazu bestimmt hatte. Das Mittelalter qualifizierte also die Stimmen, oder anders gesagt: Es gab nicht der Quantität den Vorrang, sondern der Qualität. Das provoziert natürlich den modernen Massenmenschen, der am liebsten Seinesgleichen an der Spitze sehen will. André Lichtschlag hat den Zustand, der dadurch entsteht, als Ochlokratie, als Pöbelherrschaft, bezeichnet. Und genau da sind wir mittlerweile angekommen. Narürlich kann man dem Mittelalter keine Patenrezepte entnehmen. Aber zweierlei könnten wir doch lernen: Erstens daß eine Demokratie ohne Aristokratie nicht funktioniert. Und zweitens, daß es auch beim Wählen eine Verantwortung vor Gott gibt.

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