"Der Königssohn half Dornröschen, deren Glieder noch immer etwas eingeschlafen waren, aus dem Bette. Sie war ganz angekleidet, wobei er bemerkte, daß ihre Toilette die größte Ähnlichkeit hatte mit der seiner seligen Großmutter. Aber er hütete sich, darüber ein Wörtchen zu verlieren. Er ging sogar so weit, ihre veraltete Tracht von anno dazumal auf feine Weise zu loben, was ihm in ihren Augen gewiß nicht schadete, obwohl sie tat, als läge ihr an solchen Kleinigkeiten wie Kleider und Putz nicht das allermindeste."
Das Märchen von Dornröschen kennt jeder. Doch hört sich das nicht ein bißchen anders an? Nicht so verspielt, augenzwinkernd und galant? Wir kennen die Fassung der Brüder Grimm, und deren Kinder- und Hausmärchen sollten freilich, dem Geschmack der Romantik entsprechend, volkstümlich und einfach klingen - als handelte es sich um die unmittelbare Niederschrift eines lange nur mündlich überlieferten Textes (und damit es so klang, mußten die beiden Sammler lange an ihren Märchen feilen.) Das Zitat oben stammt jedoch aus der französischen Fassung von Dornröschen, "La Belle au Bois dormant", von Charles Perrault (1628-1703). Er hat die Gattung "Märchen" in Europa erst berühmt gemacht, und auch die Brüder Grimm haben Märchen von ihm übernommen. Perrault schrieb für das gebildete Publikum der Pariser Salons - und dazu paßt sein Tonfall sehr gut. Vor 306 Jahren ist Charles Perrault gestorben.
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