Was ist dein größter Wunsch? Die Frage ist verräterisch. Mit der Antwort offenbart man den Entwurf des eigenen Ichs. Man erklärt, was im eigenen Leben den höchsten Wert darstellt. Und meist ist man nicht Individualist genug um zu denken, daß die eigenen Ziele nicht auch von einem großen Teil der Menschheit geteilt werden sollten. Wer sich eine glückliche Ehe oder Reichtum wünscht, denkt gewiß, daß auch andere danach streben sollten. So erlauben die Wünsche, die man hegt, Rückschlüsse auf das Menschenbild. Schon deshalb wecken Antworten wie „Porsche“, „beim Triathlon mitmachen“, „wieder in Größe 36 passen“, „F-Körbchen“ oder „ohne Ende Burger essen können“ verdientes Mißtrauen.
Wünsche ändern sich. Im Leben vieler Mädchen gibt es eine Zeit, in der es ihr größter Wunsch ist, Popstar oder Topmodel zu werden. Mit 13 wäre ich auch gerne Model geworden. Aber damals war das Leben eines Supermodels noch eine Verheißung. Es war die Zeit von Naomi Campbell, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Christy Turlington. Diese fünf standen nur eine Stufe unter einer Diva, waren geheimnisumwittert, hatten eine Aura der Unerreichbarkeit und beinahe der Zeitenthobenheit, und wenn sie sich exzentrisch zeigten, war dies um so faszinierender. Genauso werden zu wollen - von der Welt und den Männern angebetet, schön, erfolgreich und ganz man selbst - für Teenager mit ihrem alterstypischen Narzißmus ein angemessenes Ziel.
Doch dann kam Heidi. Niemand käme auf die Idee, Heidi Klum als Diva zu bezeichnen. Sie hat ihren Beruf mit dem Ethos einer übereifrigen Sekretärin ausgeübt. Stets diszipliniert, übertrieben korrekt, fleißig, den Wünschen ihres Auftraggebers willenlos ergeben, ihr Soll immer übererfüllend. Sie hat es so weit getrieben, daß sie heute - mit knapp 38 Jahren - schon Züge einer komischen Alten entwickelt: Noch ist sie schön, aber das Schrille und Affektierte in ihrer Stimme, ihrer Gestik und ihrem Auftreten erinnert an Frauen, die sich viele Jahre nichts gegönnt haben, vor allem kein Glück und keine Pflichtvergessenheit. Heidi Klum hat die Figur des Supermodels entzaubert. Danach war alles Business-as-usual.
Ihr Erfolgsrezept machte sie zu einem Geschäftsmodell, und so entstand „Germany‘s next Topmodel“. Es ist nicht so, daß sie den Mädchen, die sich bei ihr bewerben, falsche Versprechungen machen würde. Die Nachwuchsmodels lernen, daß sie sich in High Heels, die nicht passen, die Füße blutig laufen und dabei lächeln müssen wie in einem bösen Märchen, ihre Bedürfnisse, ihre Beziehungen, Freundschaften, Gefühle und Erkältungen ignorieren, stets überzeugen, lächeln, willenlos gehorchen müssen, und als Belohnung winken noch nicht einmal Ruhm und viel Geld, sondern ein Job als C&A-Model.
Als ich mit 13 Supermodel werden wollte, war das etwas Ähnliches wie eine Prinzessin. Doch damals gab es noch kein Internet und viel mehr Geheimnisse. Und zum Glück gab es nicht die Möglichkeit, seine Wünsche an solche Retortenshows zu vergeuden. Keines der Mädchen, die sich bei Heidi Klum bewerben, kann noch ernsthaft der Illusion anhängen, ein Leben als Fotomodell sei groß und bewundernswert. Was also treibt diese Mädchen an? Wie traurig muß eine Jugend sein, wenn das ein Wunschtraum ist? Da ist doch sogar ein Bachelor in Betriebswirtschaftslehre glamouröser. Nein, ich verstehe es nicht.
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