Bei Mosebach brauche ich immer eine Weile , um mich einzulesen, und dann will ich nicht mehr aufhören. Gerade lese ich "Ruppertshain". Es ist wie immer bei Mosebach: Ich liebe das Buch, aber ich habe noch nie eine seiner Figuren gemocht. Ihnen haftet etwas an, was mir fremd ist und was ich nur mit Widerstand betrachte. Was genau? Schwer zu sagen. Vielleicht das Maßvolle, Satte, Abgeklärte. Sie schonen sich vor großen Gesten, hausieren mit ihren Kräften. Sie scheitern nicht großartig, sondern gehen dezent und leise unter. Sie wirken wie Protestanten ohne Ehrgeiz. Deren Streben nach Erfolg in der Welt heruntergeschliffen wurde auf eine Unbeweglichkeit des Gemüts, die vor allzu tiefem Fall schützt. Fanatismus ist ihnen fremd. Gewiß, Maß ist eine Tugend. Und es verrät vor allem etwas über mich selbst, wenn ich Figuren bevorzuge, die Grenzen überschreiten, verschieben wollen und daran scheitern.
Trotzdem war mir Mosebachs Antonia gerade für einen Augenblick richtig sympathisch, und zwar, als sie ihrem langjährigen Geliebten Albrecht, der ihr ein halbes Leben lang verschwiegen hat, daß er verheiratet ist, folgende Sätze ins Gesicht schleudert:
"Es war mir immer egal, ob du verheiratet warst oder nicht. Es war mir alles egal. Du bist nicht besonders interessant, Albrecht. Du bist uninteressant. Du bist langweilig. Du bist der langweiligste Mann, den ich je gesehen habe. Wenn ich mir vorstelle, wie langweilig du bist, dann muß ich an den Kosmos denken. Ich muß mir die Unendlichkeit vorstellen, damit ich die Langeweile, die du verströmst, hinreichend erfasse."
Da sprengen Wut und Enttäuschung jedes Maß, und das ist schön!
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